Go online! Die Vor- und Nachteile von digitalem Musikunterricht
Digitaler Musikunterricht: Sinnvoll oder sinnlos?
Im Jahr 2020 werden vor allem Musiker:innen vor eine harte Probe gestellt. Keine Gigs, keine fetten Videodrehs, kein Musik- oder Gesangsunterricht mehr. Dabei hätte man die viele freie Zeit so gut nutzen können, um endlich irgendein wildes Instrument zu lernen. Maultrommel zum Beispiel. Zum Glück bleibt dir immer noch der Online-Unterricht. Doch ist der wirklich eine Alternative zu Live-Unterrichtsklassen? Die Meinungen dazu gehen ordentlich auseinander. Wir beleuchten die Pros und Cons für dich und schauen uns ein paar echte Geheimtipps an.
Vorteile von Online-Musikunterricht:
- Online-Musikschulen sind meist günstiger
- Geringe Einstiegshürde
- Wenig Papierkram
- Keine festen Unterrichtszeiten
- Flexibel von zu Hause nutzbar, praktisch auf der ganzen Welt
- Inhalte und Übungen nach eigenem Geschmack wählbar
Nachteile:
- Meist kein persönliches Feedback von Lehrer:innen
- Deine Selbstdisziplin ist hier gefragt
- Kaum Rücksicht auf persönliche Stärken und Schwächen
- Keinen Kontakt zu anderen Musiker:innen
Welche Formen von Online-Musikunterricht gibt es?
Es gibt von vielen privaten Musiker:innen kostenpflichtigen und kostenlosen Unterricht auf YouTube in Form von Videos. Nehmen wir zum Beispiel den Gitarrenunterricht. Unglaublich erfolgreich sind hier die Tutorials des Gitarristen Christian Konrad. Er ist ein Virtuose auf der Gitarre und bietet sein großes Wissen der Community teilweise kostenlos an. Natürlich ist das eine andere Form des Lernens als Face-To-Face-Unterricht, da du keine Zwischenfragen stellen kannst und generell nicht individuell unterrichtet wirst. Auch kann so deine Fingertechnik natürlich nicht korrigiert werden, was gerade für blutige Anfänger:innen wichtig ist. Aber für den allerersten Einstieg schon mal nicht schlecht. Und auch die Online-Musiklehrer:innen leben davon, dass du dann Stunden oder Pakete bei ihnen buchst.
Apps für Tablets, Smartphones und Co.
Auch hier läuft der Unterricht zumeist mittels Videos ab, die mit zusätzlichen Informationen aufbereitet wurden. Einige Apps versuchen, mit technischen Kniffen das Fehlen des direkten Feedbacks zu lösen. So gibt es zum Beispiel Apps, zum Beispiel wie Yousician, die per Mikrofon oder MIDI analysieren, was man spielt und eine Bewertung dazu abgeben. Hier sind die technischen Möglichkeiten inzwischen ziemlich ausgefeilt. Letztlich kann aber auch eine moderne App nie so individuell auf deine persönlichen Stärken und Schwächen eingehen, wie es ein/e gute/r Lehrer:in kann. Welche Fortschritte du machst, hängt nämlich nicht nur davon ab, ob du die richtigen Noten gespielt hast, sondern auch davon, mit welcher Technik du das getan hast und wie das zu deinen persönlichen Zielen passt.
Kostenpflichtige Online-Musikschulen
Auch in diesem Bereich gibt es inzwischen eine große Auswahl. Im Gegensatz zu YouTube verlangen Online-Musikschulen in der Regel eine Abo-Gebühr, bieten dafür aber auch deutlich mehr. Bei hochwertigen Online-Musikschulen bekommst du ein strukturiertes Angebot mit einem klaren „Fahrplan“ zum Erfolg. Wie dein Unterricht aufgebaut und präsentiert wird, unterscheidet sich von Angebot zu Angebot. Oftmals kann man aus mehreren Kursen für Anfänger:innen und Fortgeschrittene auswählen.
Auch bei der Wahl der Stücke bzw. Musikstile bieten viele Online-Musikschulen etwas Flexibilität. Der Unterricht findet meistens als Tutorial statt, bei dem du nicht nur den Lehrer:innen zusiehst, sondern auch zusätzliche Informationen bekommst, zum Beispiel zu Tabulaturen oder Noten.
Musikhaus Thomann
In etwa genauso verfährt das Musikhaus Thomann, dass sicher den meisten Musiker:innen ein Begriff sein dürfte. Ihr neues Angebot heißt music2me und hat direkt nach Veröffentlichung, im Frühjahr 202o, einen ordentlichen Shitstorm bei den privaten Online-Lehrer:innen und Online-Musikschulen ausgelöst. Der Grund ist ihr unschlagbares 3 Monats-Abonnement für Musiker:innen. Für die gängigen Musikinstrumente hat sich das Musikhaus Thomann für Neu-Einsteiger:innen und für Fortgeschrittene Online-Kurse ausgedacht, die das Erlernen und Verbessern der Skills ermöglichen sollen. Das ganze Paket kostet schlappe 39,00 Euro. In den Sprachen englisch und deutsch werden über 150 Lehrvideos gezeigt, aus so gut wie allen Genres der Musik, inklusive Notenblätter. Außerdem kannst du auch stets eine/n Lehrer:in von „music2me“ erreichen, falls du Fragen hast.
Was sagt der Profi?
Marius Stieler ist Online-Gitarrenlehrer aus Braunschweig. Er fasst dieThematik zusammen:
„Online-Kurse sind super, um mehr Menschen den Zugang zu positiven Inhalten anbieten zu können, die regulär vielleicht nicht möglich wären, was Budget, Entferung und Verfügbarkeit des/der Dozierenden angeht. Online-Musikunterricht ist heute auf jeden Fall mehr als reine Videosammlungen zum mitspielen. Wenn man die besten Angebote gefunden hat, sind die in der Regel gut strukturiert, hochwertig aufbereitet und bieten ein klares Konzept, das sich an bewährten Methoden orientiert. Außerdem bin ich ein großer Freund von freier Zeiteinteilung und davon, die Möglichkeit zu haben, im eigenen Tempo zu lernen. Schließlich können die Videos jederzeit pausiert und wiederholt werden. Sie ermöglichen es dem/der Musiker:in jederzeit und überall zu üben und sind kostengünstiger als der herkömmliche Unterricht. Gerade zum unverbindlichen Ausprobieren eines Instruments oder für vielbeschäftigte Menschen sind sie deshalb heute eine echte Alternative.
In zwei ganz wichtigen Punkten kann der Online-Musikunterricht aber bislang nicht mit dem Musikunterricht von Angesicht zu Angesicht mithalten: die Direkte, individuelle Rückmeldungen über deinen Lernerfolg und Motivation sowie die Entwicklung deiner Spieltechnik. Es bleibt oberflächlich. Details, die in der Performance letztens Endes entscheidend sind, können nicht gänzlich geklärt werden. Es geht aber auch immer um die Frage: Was will ich vom Unterricht? Für das Erlernen von Akkordfolgen, Stützhaltung beim Singen oder eines Bewegungsablaufs beim Schlagzeug ist Online-Unterricht perfekt. Geht es aber eher um ausgefeilte Technik, Emotionen, Philosophie und darum, an das Wesen des zu erforschenden Gegenstandes zu kommen, ist aus meiner Sicht ein persönlicher Unterricht unablässig.“
Und jetzt: Viel Spaß beim Suchen und Finden! Und viel Spaß beim Üben!