Mental Health im Musikbusiness: So bleiben Independent Artists gesund und kreativ
Mental Health im Musikbusiness: 3 Tipps für Independent Artists von Nathalie Mong
Den folgenden Artikel hat Diplom-Psychologin, Psychotherapeutin und Mentorin für Musiker:innen Nathalie Mong für uns als Gastbeitrag geschrieben. Mit ihrem Projekt „True Colors“ bietet sie psychologisch fundiertes Artist Development – speziell für Artists, die an ihrer Artist Identity und Mindset-Themen wie z.B. Routinen, Perfektionismus, Selbstwert oder dem Umgang mit Rückschlägen arbeiten wollen. Unter dem Dach von „Music & Soul“ gibt Nathalie außerdem Mental Health Workshops, bietet individuelle psychologische Beratung und engagiert sich für Aufklärung rund um mentale Gesundheit in der Musikbranche.
Die Bühne glänzt – aber was viele nicht sehen: Der Druck dahinter ist enorm. Die Musikbranche zählt zu den stressigsten Arbeitsfeldern überhaupt. Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung sind die Zahlen für psychische Erkrankungen bei Musiker:innen deutlich erhöht – und die Lebenserwartung drastisch reduziert.
Eine britische Studie zeigt: 73 % aller Musiker:innen kämpfen mit Angstzuständen und Depressionen. Und auch laut einer australischen Studie liegt die Lebenserwartung von Musiker:innen im Schnitt 20–25 Jahre unter dem Durchschnitt der Allgemeinbevölkerung.
Besonders betroffen: Independent Artists.
Denn sie managen nicht nur ihre Kunst, sondern auch Marke, Booking und Finanzen – oft ohne Team, ohne Sicherheitsnetz, ohne Pausenknopf. Die ständige Erreichbarkeit via Social Media und der Druck, mit Kreativität Einkommen zu generieren, verstärken das Risiko für Überforderung und mentale Krisen.
Meine Mission ist es, dass du mit deiner Musik erfolgreich UND gesund bist. Aus meiner Arbeit mit Artists weiß ich: Es ist nicht leicht – aber absolut möglich. Hier kommen drei konkrete Impulse aus meiner Mentoring-Praxis, die dich hoffentlich dabei unterstützen:
1. Ohne Pausen kein Erfolg: Feste Ruhezeiten einplanen
Tour, Release, TikTok – du funktionierst rund um die Uhr? Cut. Plane deine Erholung so konkret wie deinen nächsten Gig. „No Days Off“ klingt nach Commitment und Hingabe für die eigene Musik – ist in Wahrheit aber der direkte Weg ins Burnout. Häufig werden ständiges Hustlen und Erschöpfung in der Musikindustrie und unserer Leistungsgesellschaft verklärt. Doch Burnout ist keine Trophäe, sondern eine ernstzunehmende Erkrankung und oft der Vorbote einer Depression.
Wer dauerhaft über seine Grenzen geht, riskiert emotionale Leere, körperliche Stresssymptome und den Verlust von Kreativität, Motivation und Lebensfreude. Du bist DIE wichtigste Ressource für deine Arbeit. Deine Kreativität braucht Pausen – genau wie dein Körper und deine Psyche.
Praxis-Tipp:
Lege jede Woche mindestens eine musikfreie Zone fest – kein Schreiben, kein Produzieren, kein Netzwerken. Handy aus. Stattdessen: Energie tanken, entspannen, Spaß haben.
2. Selbstwert ≠ Feedback
Likes sind keine Liebe. Der Applaus – oder dessen Ausbleiben – sagt nichts über deinen Wert aus. Leichter gesagt, als getan. Gerade wenn du in deine Musik so viel Herz, Persönlichkeit und Zeit steckst, fühlt sich Kritik oder ausbleibender Erfolg schnell persönlich an.
Doch genau deshalb ist ein stabiler Selbstwert so wichtig: Er bedeutet, dass du weißt, wer du bist – auch wenn es gerade nicht läuft. In kreativen Berufen ist die eigene Identität oft eng mit Leistung und öffentlicher Bewertung verknüpft. Wenn dann positives Feedback ausbleibt, kann das den inneren Boden unter den Füßen wegreißen. Ein brüchiger Selbstwert fördert Selbstzweifel, ständiges Vergleichen, Anpassungsdruck und Erschöpfung. Je mehr du deinen inneren Wert von Zahlen, Algorithmen und Meinungen entkoppelst, desto zufriedener und resilienter wirst du.
Praxis-Tipp:
Notiere dir jeden Tag eine Sache, die du an dir als Mensch – nicht als Artist – wertschätzt. Klingt simpel, ist aber mächtig. Auch tägliche Affirmationen können helfen:
Ich bin wertvoll – auch ohne Likes, Streams oder Gigs.
Meine Musik ist Ausdruck – kein Beweis.
Meine Kreativität ist ein Geschenk – kein Wettkampf.
Finde deine Sätze, die dich stärken.
3. Verbinde dich – ehrlich, offline
Die Musikbranche kann einsam machen. Echte Verbindungen abseits von Networking-Events und DMs sind ein Gamechanger. Sprich mit anderen Artists über deine Struggles – mit Menschen, die dich verstehen und dich nicht nur als Projekt sehen.
Genauso wichtig: Freundschaften außerhalb der Szene. Sie brauchen manchmal mehr Pflege, weil eure Lebensrhythmen unterschiedlich sind – aber sie helfen dir, wenn du Abstand brauchst. Soziale Beziehungen sind einer der stärksten Schutzfaktoren für mentale Gesundheit. Ehrliche Gespräche mit Menschen, die dich wirklich sehen, senken Stress, stärken das Selbstwertgefühl und beugen Depressionen vor. Gerade in unsicheren Lebens- und Arbeitsverhältnissen wirkt ein stabiles soziales Netz wie ein emotionales Sicherheitsseil.
Praxis-Tipp:
Gründe oder finde einen kleinen Kreis mit 3–4 Artists, die sich regelmäßig austauschen – auch über Tiefs. Kein Coaching, kein Druck, einfach echtes Zuhören.
Zum Schluss: Du musst das nicht allein schaffen
Mentale Gesundheit ist kein Nice-to-have. Sie ist das notwendige Fundament für deine erfolgreiche und nachhaltige Musikkarriere.
“It´s okay, not to be okay – und es ist mutig, dir Support zu holen. Bleib gesund und kreativ.”
Wir danken Nathalie Mong für diesen Gastbeitrag.