Auf der Suche nach dem Hit! Gibt es eine Popformel, die die Welt begeistert?
Entscheiden Akkorde am Ende über den Erfolg eines Songs?
Gute Musik? Schlechte Musik? Wer entscheidet was gut ist? Unser Musikgeschmack geht doch so weit auseinander wie eine Currywurst mit Pommes versus ein Brot mit Gouda, wenn man nur an die verschiedenen Genre-Playlisten denkt, die es gibt. Aber natürlich gibt es auch auf diesen Playlisten einen gemeinsamen Nenner. Es gibt Musik, die mehr Leute erreicht als andere Musik. Auf den ersten Blick gibt es keine richtige Erklärung für den Erfolg oder Misserfolg eines Songs.
Vielleicht träumst du als Musiker:in auch genau davon, Songs zu schreiben, die zu Hits werden! Mit der Zeit wird dir dabei wahrscheinlich schon aufgefallen sein, dass Akkorde in gewissen Konstellationen eine Sprache ergeben, die mehr Menschen ansprechen als andere Akkordfolgen. Das liegt daran, dass jeder Akkord eine bestimmte emotionale Energie im Verhältnis zu den anderen Akkorden mit sich bringt.
In diesem Artikel geht es also darum, warum uns manche Akkorde mehr berühren als andere und wie du diese Info für dich nutzen kannst, um deinen nächsten Hit zu schreiben.
Die Entschlüsselung der Matrix
Als Erstes ist es wichtig zu wissen, dass Akkorde, auch unserer Hörgewohnheit entsprechen. Es ist also keine Überraschung, dass die Akkorde, die zueinander wohlklingend auf uns wirken, Nachbar:innen sind. Lars Hengmith (Pianist, Produzent)
Aber: Die anatomische Verwandtschaft der Akkorde erfüllt noch eine weitere wichtige Komponente, die eine Akkordfolge zum Erfolg führen kann. Denn von „Stille Nacht, heilige Nacht“ bis „Highway to Hell“ sind viele erfolgreiche Lieder auf Akkorde aufgebaut, die nah beieinander liegen. Wissenschaftler:innen haben in Studien herausgefunden, dass diese einfachen Akkorde für das menschliche Ohr umso wohlklingender sind, je mehr sie vom Klangspektrum der menschlichen Stimme ähneln.
Also: Je mehr sie in Bezug auf ihre Harmonie und die Frequenzintervalle wie die menschliche Sprechweise klingen, umso angenehmer und erfolgversprechender sind sie am Ende. Das liegt daran, dass die Liebe zu bestimmten Tonkombinationen eng mit der sozialen Kommunikation der Menschen verknüpft ist. Man kann mit diesen beliebten Tonkombinationen nicht nur in Worte gepackte Auskünfte weitergeben, sondern durch das gehörte Klangspektrum Informationen über die Größe, das Alter, das Geschlecht des/ der Sängers:in und seines/ihres emotionalen Status erfahren. Und das scheint uns Hörer:innen wichtig zu sein. So weit, so gut, aber was heißt das genau?
Der Akkord, der mit dem Grundton auf einer Tonleiter (auch „Tonika“ genannt) gebildet wird, hört sich für uns Hörer:innen schlüssig an, weil wir im Grunde dort tonal „zu Hause“ sind. Alles ist um den Grundton (C – am Beispiel der C-Dur Tonleiter) herum aufgebaut.
Jede Skalenstufe erzählt eine bestimmte Rolle, ähnlich wie die Figuren in einer Geschichte. Wir alle kennen die Typen von Erzählfiguren – den Protagonist:innen, den Antagonist:innen usw. – und die Art und Weise, in der sie jeweils mehrere Funktionen in einer Geschichte haben. Akkorde sind genauso. Sie sind Figuren, die eine oder mehrere Rollen im Verhältnis zueinander erfüllen.
Sagt Lars Hengmith. (Musikproduzent, Pianist). In der westlichen tonalen Musik gibt es 12 chromatische Tonhöhen, die mit den Buchstaben A bis G bezeichnet wurden. Dann gibt es da noch die Vorzeichen, das Kreuz, das bei Anwendung den Grundton um einen Halbton erhöht und das b, das bei Anwendung den Grundton um einen Halbton verringert. Der Abstand zwischen zwei Tonhöhen wird als „Intervall“ bezeichnet, und man kann Intervalle kombinieren, um Akkorde zu bilden. Die Standard-Dur-Tonleiter enthält 7 Tonhöhen (getrennt durch Kombinationen von Halb- und Ganztönen). Wenn du das schon weißt, bist du schon ein gutes Stückchen weiter. Denn Akkorde sind die Säulen, die dein Songwriting tragen. Zusammen mit dem Rhythmus und der Melodie sind Harmonien ein fundamentaler Teil der musikalischen Komposition. Komposition ist dabei das Zauberwort. Melodien passieren in der Regel nicht, sie werden kreiert.
Schaut man genauer hin, erkennt man bei erfolgreicheren Artists eine Präferenz für bestimmte Akkorde und Anwendungen. Nach dem Motto: “Never change a winning team”- Denn an Zufälle brauchst du dabei nicht zu glauben. Wie am Beispiel von Lorde’s Super-Singles gut zu erkennen ist. Die neuseeländische Künstlerin hat bei ihrem weltweiten Durchbruch-Hit „Royals“, sowie bei der ersten Singleveröffentlichung “Greenlight“ ihres zweiten Albums, „Melodrama“, als auch bei der ersten Single ihres dritten Studioalbums, das den gleichen Titel trägt wie das Album „Solar Power“, immer wieder die gleiche Akkordfolge, gemeinsam mit ihrem kongenialen Mitschreiber und Produzenten Jack Antonoff gewählt. An diesem Beispiel erkennst du, dass der wichtigste Punkt beim Schreiben deines Songs die Akkordfolge ist, die du wählst. Denn die Akkorde, die du in einer bestimmten Reihenfolge verwendest, können am Ende den Unterschied machen.
Die wohl erfolgreichste Akkordfolge
Ja, es gibt sie, die unschlagbare Erfolgs-Akkordfolge und große Überraschung: Sie besteht aus nur vier Akkorden:
D-Dur, A-Dur, h-Moll und G-Dur.
Bei diesen Akkorden handelt es sich um die Hauptstufen der D-Dur-Tonleiter und der Tonika-Parallele (h-Moll). Die Hauptstufen sind D-Dur (Tonika), G-Dur (Subdominante) und A-Dur (Dominante). Super wichtig scheint also auf jeden Fall schon mal, dass die Melodie im ganzen Stück in einer einheitlichen Tonart steht. Dies kann nur Dur oder Moll sein. Außerdem ist es ein entscheidender Vorteil, wenn die Melodie durch einen „durchgehend rhythmischen Puls“ unterstützt wird.
Unzählige Lieder passen auf diese Akkordfolge, ob „The Beatles“ mit „Let it Be“. „Beyoncé” mit “If I Were A Boy”, oder “MGMT” mit ihrem Hit “Kids”. Mit diesen simplen vier Akkorden konnten in den letzten Jahrzehnten aus allen Genres viele, viele Hits generiert werden. Das ist in jedem Fall kein Zufall, aber auch noch kein Garant. Unsere „europäischen“ Hörgewohnheiten haben einen Ursprung. Aber woher genau kommen unsere Hörgewohnheiten?
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Oldie but Goldie
Genau diese erfolgreichen Akkordverbindungen haben einen starken Bezug zu den Akkordverbindungen der Klassik. Dabei gibt es zwei hier auftretende Verbindungen, die sogar einen eigenen Namen haben:
Erstens, der „Trugschluss“. Dieser beschreibt die Verbindung von Dominante zur Tonika-Parallele. Die Dominante löst sich also nicht im Quintfall zur Tonika auf, sondern zur Parallele einen Ganzton über der Dominante. (Parallele deshalb, weil das der Paralleltonart-Grundakkord h-Moll zum Tonika-Tonart-Grundakkord D-Dur ist, welche die gleichen Vorzeichen besitzen – nämlich Fis und Cis.
Das sagt Lars Hengmith. Die „Plagale Kadenz“ beschreibt die Verbindung von G-Dur zurück zu D-Dur. Dabei handelt es sich um eine Möglichkeit, eine musikalische Phrase aufzulösen, indem man vom IV-Akkord (also G) zum I-Akkord (Tonika-Grundton D) übergeht. Manchmal wird sie auch als „Amen-Kadenz“ bezeichnet, weil sie in Kirchenliedern häufig auf den Text „Amen“ gesetzt wird. Ein großartiges Beispiel ist die Schlusszeile im Refrain von „Yesterday“ der Beatles, die mit einer plagalen Kadenz von ♭ nach F auflöst.
Der Turnaround
Es gibt eine weitere berühmte Kombinationsmöglichkeit der vier Akkorde mit einer leichten Abwandlung: den sogenannten Turnaround. Das bedeutet so viel wie „Umkehr“, „Richtungsänderung“, aber auch „im Kreis drehen“, da die Akkordfolge oft am Ende eines Stücks steht und wieder zum Anfang führt. Der Turnaround klappt nicht immer so schön wie bei unserer Erfolgs-Akkordfolge, aber es ist immer ein Versuch wert, deine Progression (also dein akkordisches Fortschreiten) rückwärts zu spielen. Denn manchmal funktioniert genug davon, sodass du sie als einen neuen Ausgangspunkt verwenden kannst.
Was gibt es noch für Kniffe, um aus Akkorden, die dir helfen, einen Hit zu kreieren?
- Palindrom
Ein Palindrom bezieht sich in der Regel auf ein Wort oder einen Satz, der sich in beiden Richtungen gleich liest. Zum Beispiel: „Madam, ich bin Adam“. In ähnlicher Weise funktionieren einige Akkordfolgen gut, wenn Sie in der Mitte die Richtung wechseln und in umgekehrter Richtung enden.
Zum Beispiel etwas Einfaches wie: C-F-G—|G-F-C—||
- Pedalpunkt
Ein Pedalpunkt ist die Wiederholung oder das Halten einer einzelnen Note während verschiedener harmonischer Veränderungen. Er kann entweder eine Standardabfolge interessanter machen oder eine komplexe Abfolge in etwas Vertrautem verankern. Dadurch entsteht zwar keine neue Abfolge, aber wenn du eine Abfolge gefunden hast, die etwas unorganisiert oder übermäßig komplex klingt, kannst du deinen Bass auf einer Note – normalerweise der Tonika – sitzen lassen, was der Abfolge eine Art musikalischen Klebstoff verleiht und sie stärker klingen lässt. Nehmen wir an, du lässt das C als tiefste Note liegen. Dann wirst du sehen, dass das C total verankert wird und jede/r Zuhörer:in auf die Tonart der Abfolge, also C-Dur fixiert sein wird.
Ein ganz gutes Beispiel dafür ist „Jump“ – von Van Halen
(G/C F/C F/C G/C G/CC …)
- Diatonische Akkorde
Ein diatonischer Akkord wird auch verminderter Akkord genannt. Dabei bleibst du als Musiker:in innerhalb der Tonleiter. Es werden häufig bei Musikarten diatonische Dreiklänge eingesetzt. Damit bezeichnet man die sieben Akkorde, die auf den sieben Noten der gewählten Dur- oder Moll-Tonleiter aufgebaut sind. Um das beispielsweise anhand der C-Dur-Tonleiter zu machen, füge einfach bei jeder Note der Tonleiter zunächst die Terz (dritter Ton) und dann die Quinte (fünfter Ton) hinzu.
Verwende ruhig den Quintenzirkel
Der Quintenzirkel hilft dir zum einen dabei, Tonarten zu bestimmen und die Vorzeichen von Tonarten herauszufinden. Zum anderen kannst du im Quintenzirkel sehen, welche Dur- und Molltonarten zusammengehören. Je näher zwei Tonarten im Quintenzirkel liegen, desto verwandter sind sie, das bedeutet nichts anderes, als dass sie mehr Noten gemeinsam haben. So ist das einfach. Im Quintenzirkel sind die Töne kreisförmig angeordnet. Der äußere Kreis zeigt dir die Dur-Tonarten und im inneren Kreis stehen die Moll-Tonarten. Ganz oben im Quintenzirkel liegen C-Dur und a-Moll. Beide Tonarten haben kein Vorzeichen. Wenn du dich von dort im Uhrzeigersinn nach rechts bewegst, siehst du alle Tonarten, die ein Kreuz(#)-Vorzeichen haben. Wenn du dich gegen den Uhrzeigersinn nach links bewegst, findest du alle Tonarten mit einem b(♭)-Vorzeichen. Die Anzahl der Vorzeichen steigt, je weiter du dich bewegst.
Üben, üben, üben
Das war ganz schön viel Input auf einmal. Falls dir das alles zu viel war, kannst du dir auch ein gutes Hilfsmittel besorgen. Heutzutage gibt es hilfreiche Tools, wie zum Beispiel Apps, die dir dabei helfen, einen Song zu kreieren, ihn zu strukturieren und die dir auch passende oder eben unpassende Akkorde vorschlagen. Je nachdem, was du suchst. Hier hat die App Garageband, ab dem Jahr 2004 bis heute für eine wahre Musikrevolution gesorgt. Aber auch die Tonaly App bietet dir zum Beispiel passende Akkorde an. Von ihr kannst du dir, gleich Hooklines, oder Melodien für Basslinien oder Solos vorgeben lassen.
All das kann dir helfen, „out of the box“ zu denken, um als Artist neue Impulse setzen zu können – so, auch beim Schreiben deines neuen Hits. Mit? Genau: den richtigen Akkorden.