Der Musiker:innen-Anwalt- Was der VUT für dich als Artist macht!
recordJet im Interview mit Geschäftsführer Jörg Heidemann vom Verband unabhängiger Musikunternehmer:innen
Der VUT ist eine für Musiker:innen sehr wichtige Instanz. Noch nie gehört? Wir haben uns nach Berlin Charlottenburg begeben, um mit dem Geschäftsführer vom Verband unabhängiger Musikunternehmer:innen (VUT), Jörg Heidemann, zu sprechen. Es wurde ein sehr intensives Interview über die Relevanz von Musik, die ohne Druck der Mainstream-Musikindustrie entstehen sollte und darüber, was der VUT alles dafür macht, dass das so bleiben – und viel mehr noch – besser werden kann. Beginnen wir mit Teil 1 des Interviews.
Lieber Jörg, was bedeutet eigentlich VUT?
Angefangen haben wir als „Verband unabhängiger Tonträgerunternehmen“. Seit September 2019 heißen wir „Verband unabhängiger Musikunternehmer:innen e.V.“. Aber zu jeder Zeit war der VUT ein Non-Profit-Verband, der sich für Indie-Labels, Verlage, Vertriebe, Produzent:innen und eben Musikerunternehmer:innen einsetzt. Wir versuchen, das Musikbusiness von unten nach oben zu denken. Unsere kleinsten Mitglieder stehen zunächst im Fokus unserer Bemühungen. Denn es gibt heutzutage wahnsinnig viele selbstvermarkende Musiker:innen, darum haben wir uns ja auch im Namen dazu positioniert. Wir wollen auch ganz konkret diese Musiker:innen ansprechen. Früher waren unsere Mitglieder eher klassische Labels und Verlage. Aber in digitalen Zeiten braucht man diese klassischen Konstrukte nicht mehr zwingend. Heute ist ein/e Künstler:in oft alles in einem: Musiker:in, Labelchef:in und Verlag. Über unsere hauptamtlich besetzte Geschäftsstelle in Berlin hinaus gibt es noch ehrenamtlich agierende Regionalgruppen. Damit bekommen unsere Mitglieder die Möglichkeit, sich in ihren Regionen auszutauschen und zum Beispiel Stammtische oder eigene Wissensvermittlungsformate zu veranstalten.
Gibt es irgendwelche Aufnahmekriterien? Was ist euch wichtig?
Jede/r unabhängige Musikunternehmer:in kann Mitglied werden, sobald er/sie sich angesprochen fühlt oder unsere Hilfe braucht. Dafür sind wir da! Majors oder mehrheitlich majordominierte Unternehmer:innen müssen leider draußen bleiben. Aufklärung, Vernetzung, Mediation wenn nötig, zwischen GEMA oder anderen Verwertungsgesellschaften, fallen ebenfalls in unseren Aufgabenbereich. Uns liegt auch die Erhaltung und Stärkung des Urheberrechtes sehr am Herzen. Da gab es ja, dank Google, einige Verwirrungen.
Was tut ihr für Musiker:innen?
Das Leistungsspektrum umfasst folgende Eckpunkte: Netzwerk, Interessenvertretung der Mitglieder, Fortbildungsmöglichkeiten, Beratungen jeglicher Art, viele Rabattleistungen und letztens unser starker Service, wie zum Beispiel die Vorlage von Musterverträgen etc.
Im Detail sind wir für Musiker:innen eine Mischung aus Erklär-Bär, komplizierte-Fragen-Beantworter:in und Unternehmensberatung. Wir haben auf unserer Webseite für alle Mitglieder einsehbar eine Art Musik-Wikipedia eingerichtet, das sehr hilfreich ist. Zum Beispiel weisen wir auf die Kniffe im Umgang mit „Bandcamp“ hin. Da gibt es ja momentan einen riesigen Hype drum. Dabei wissen viele Musiker:innen gar nicht, dass Bandcamp keine offizielle Firmenadresse hat. Darum kannst du auch keine Verträge mit denen verhandeln. Dir als Musiker:in bleibt also nur die „Friss-oder-Stirb- Nummer“. Aber es stehen auch weitere praktische Tipps auf unserer Webseite wie: Warum in Italien auf allen Tonträgern eine silberfarbener Sticker drauf sein muss, wenn man Beispielsweise eine CD verkaufen will? Das sind so Fragen, die aus der Praxis kommen und die man auch nicht im Handbuch der Musikwirtschaft nachlesen kann. Dieser Sticker kommt nämlich direkt von der italienischen Verwertungsgesellschaft. Sie wollen dadurch Raubkopien verhindern.
Ansonsten ist unser Rechtsbeistand wichtig zu erwähnen. Wir haben einen Anwalt der alle Verträge, ob Künstler:innenvertrag, Bandübernahmevertrag oder weitere als kommentierten Vertrag ausgearbeitet hat und für alle Mitglieder zur Verfügung stellt. Ganz einfach zum downloaden. Da werden alle möglichen Fallstricke, die man als Laie gar nicht wissen kann, erklärt. Außerdem bieten wir zusätzlich eine kostenlose telefonische Rechtsberatung von Montag bis Freitag, in der Zeit von 17-18 Uhr an. Alles was unser Anwalt direkt am Telefon beantworten kann ist kostenlos, weitergehende, individuelle Beratung ist dann allerdings nicht mehr kostenfrei. In der Regel kann unser Anwalt trotzdem auf alle Fälle immer eine Einordung geben.
Auch wichtig, gerade in Corona-Zeiten, ist unser großes Angebot an Webinaren. Es geht dabei u.a. um Urheberrechts- und Leistungsschutzrechte. Vertreter von der GVL, GEMA und auch Agenturen, die sich um die Leistungsschutzrechte der Künstler:innen kümmern, laden wir zum Gespräch mit unseren Mitgliedern ein. Wir sind gegebenenfalls auch mal als Mediator:innen tätig, falls die Künstler:innen Stress mit der GEMA oder GVL haben sollten. Außerdem haben wir auch schöne Rabatte für unsere VUT – Mitglieder. Ob Hotelkosten, Mietwagen oder Newsletter-Tool. Auch für die Herstellung der Tonträger haben wir eine spezielle Vereinbarung mit der GEMA. Statt 13,3%, die ein*e Musiker:in normalerweise zahlen müsste, muss ein VUT-Mitglied nur 8,5 % zahlen.
Wo kann man denn dich oder deine Kolleg:innen vom VUT mal live und in Aktion erleben?
Generell kann man bei uns in der Hardenbergstraße in Berlin immer vorbeikommen. Gerne mit Voaranmeldung. Kaffee, einen schönen Innenhof und mindestens zwei offene Ohren gehören zur Grundausstattung. Ansonsten kann man uns bei unseren VIA-Awards und den VUT-Indie Days, z.B. auf dem Reeperbahnfestival oder der c/o pop Convention antreffen. Bei den VIA Awards wollen wir den Musiker:innen eine weitere Form von Öffentlichkeit bieten und ihre unabhängige Großartigkeit feiern. Das läuft zum einen über die Preisgelder (jede Kategorie bekommt ca. 1500 Euro) und zum anderen über das Gesehen werden und die Vernetzung. Wir haben unser Hauptquartier – das „Indie House“ in der „sanktpaulibar“ am Spielbudenplatz in Hamburg und versuchen Netzwerkpunkt und Anlaufstelle zu sein. Wir kuratieren außerdem bis zu 10 Panels und Wissensvermittlungsformate, wie Workshops etc. auf dem Festival. Es lohnt sich in jedem Fall vorbeizukommen. Ich denke darin liegt auch unsere große Stärke. Im Aufmachen. Vielleicht sind wir deshalb hier in Deutschland auch ganz weit vorne. Wir haben den größten Indie-Verband weltweit, mit so vielen Mitgliedern wie kein anderer.
Was sind eure Ziele in den nächsten 10 Jahren?
Wir machen ein Mal im Jahr eine Strategietagung. Bei diesem Meeting schauen wir auf unsere mittel- und langfristigen Ziele. Wir haben sogar gerade einen solchen langfristigen Meilenstein erreicht. Wir sind seit Sommer 2020 Minderheitsgesellschafter der GVL und zwar auf der Hersteller:innenseite. Das ist für uns eine große Sache, denn wir haben jahrelang Kritik an der GVL geübt, insbesondere an Auszahlungskriterien und Mitbestimmung. Bisher war die GVL nämlich auf der Hersteller:innenseite lediglich Major-dominiert und nun mischen wir da zumindest mit und möchten unsere Kritikpunkte lösungsorientiert einbringen. Quasi: Rinn ins System und von innen aufmischen.
Und wir haben noch ein weiteres mittelfristiges Ziel erreichen können, für ein Problem, dass viele nicht auf dem Schirm haben. Viele Rechteinhaber:innen haben über die Jahre die Hoheit über ihre Meta-Daten verloren. Die Vertriebe oder Aggregatoren und Verwertungsgellschaften haben die Meta-Daten zwar mehr oder weniger sauber vorliegen, aber alle Einzelkämpfer:innen daddeln immer noch mit alten Exel-Sheets rum. Die Idee des VUT ist eine umfassende Datenbanklösung, gehostet vom VUT. Die Machbarkeit dieser Idee wird gefördert von der Initiative Musik – das Ganze passiert ohne wirtschaftliche Interessen, so wird es den Rechteinhaber:innen ermöglicht, selber zu entscheiden, was mit den eigenen Daten passiert. Quasi wie eine eigene Cloud. Wenn diese Machbarkeitstudie positiv ausfällt sind wir unserem Ziel ein großes Stück näher gekommen.
Ein ganz zentraler Punkt, wenn nicht sogar der wichtigste der letzten Jahre, gerade auch für die einzelnen Musiker:innen, ist jedoch die Umsetzung der europäischen Urheberrechtsrichtlinie in deutsches Recht. Da müssen wir leider gerade feststellen, dass der Diskussionsbeitrag des Justizministeriums leider ganz und gar nicht dem entspricht, was die EU geplant hat, nämlich die Plattformen so in die Verantwortung zu nehmen, dass endlich mal mehr Geld bei den Künstler:innen ankommt. Da haben wir jetzt gerade noch viel Arbeit vor uns.
Vielen Dank für das Interview lieber Jörg.
Über Jörg Heidemann
Jörg Heidemanns Vita ist gespickt von scheinbaren Umwegen und Entscheidungen aus dem Bauch heraus. Ein Glück. Der studierte Diplom-Psychologe, der seinen Nebenjob in einem Plattenladen so gut gemacht hat, dass er ihn am Ende übernahm, besticht durch einen turbulenten Lebenslauf: Angefangen hat er als Exportmanager bei der „EFA Medien GmbH“, einem der größten Independent-Vertriebe Deutschlands. Nach einem kurzen Abstecher bei „Universal Music Deutschland“ erfüllte sich mit zwei Freunden seinen Traum: Einen eigenen internationalen physischen Vertrieb.
Seit 2010 war er zunächst als freier Projektmanager im Bereich Wirtschaft beim VUT, der mittlerweile 1200 Mitglieder umfasst, beschäftigt. Seit Dezember 2014 dann auch schlussendlich als Geschäftsführer. Darüber hinaus sitzt er u.a. im Beirat des „Musicboards Berlin“ und ist Mitglied des „Charts- und Marketingsausschusses des BVMI“. Er ist außerdem internationales Mitglied des „Impala Management Boards“ und „WIN Director“. Auf dem Reeperbahnfestival organisiert er VUT- Panels und vernetzwerkt die Musikwelt untereinander. Frei nach dem Motto: „Rinn ins System und von innen aufmischen“, mischt er seitdem mit seinen Kolleg:innen die Musikindustrie ordentlich auf.