Julia Wartmann über ideelle Förderungen für Musiker:innen
Alles über Conteste, Vereine und die Wichtigkeit non-monetärer Förderungen für Musiker:innen in Deutschland
Förderungen für Musiker:innen können sehr vielfältig und ganz unterschiedlich aussehen. Julia Wartmann weiß das und sie klärt uns auf. Denn sie ist Profi auf diesem Gebiet und hat uns im Interview über die verschiedenen Bereiche Auskunft gegeben. Julia ist studierte Musikwissenschaftlerin und Medienmanagerin und leitet seit 2015 das gemeinnützige, europäische Newcomer-Netzwerk „local heroes“. Außerdem ist sie ein Crack unter den Antragstellerinnen für Förderanträge im Bereich Kultur und Musik. Das macht sie quasi vor dem Frühstück. Wir haben mit Julia über verschiedene Förderungsmöglichkeiten für Musiker:innen gesprochen. Da es verschiedenste, wichtige Optionen gibt, haben wir das Ganze in drei Teile aufgesplittet: Im ersten Teil ging es um monetäre (materielle) Förderung für Künstler:innen in Deutschland. Heute, im zweiten Teil geht es um sogenannte non-monetären oder auch ideellen Förderungen in der Musikindustrie. Teil drei wird dann einen Ausblick auf die Zukunft mit Bezug auf diese Themen geben.
Liebe Julia, unter einer ideellen Förderung versteht man Unterstützung, die nicht aus finanziellen Mitteln besteht. Warum bist du Fan davon und welche Möglichkeiten gibt es?
Ich bin Fan, weil diese Förderungen aus meiner Erfahrung nachhaltiger arbeiten, weil sie Know-how und Zeit verschenken und dabei kein primär wirtschaftliches Interesse verfolgen. Die Musiker:innen dürfen frei sein und müssen sich nicht an ihrer Wirtschaftlichkeit messen lassen. Man denkt immer an Geld oder Sachwerte bei Förderungen, dabei gibt es so viel mehr, das wichtig ist, um als Musiker:in voranzukommen.
Nehmen wir zum Beispiel das Coaching von Musiker:innen. Das ist mega sinnvoll! In den Coachings arbeiten Profis beispielsweise mit den Artists an ihrer Live-Performance oder am Songwriting-Potential oder einfach nur an der Spieltechnik. Einige wenige Vereine bieten auch so was wie Rechtsberatungen für Künstler:innen an. Viele Musiker:innen unterschreiben bzw. schlechte Verträge oder wissen nicht genug Bescheid. Zum einen weder wie das mit der GEMA oder der GVL läuft, noch zum anderen, wie normale Bandübernahmeverträge oder Künstlerexklusivverträge ablaufen. Dafür muss man sich immer einen Anwalt nehmen. Und der ist teuer.
Man findet ideelle/non-monetäre Förderung in der Regel schneller im lokalen Raum. Das heißt, dass man sich als Musiker:in unbedingt die Mühe machen sollte, folgende Optionskarten zu ziehen:
- Im Kulturbüro anrufen und nachfragen.
- Nach Stichworten wie Stipendium, Proberaum, Musikverein in seinem Ort suchen. Da findet man oft mehr als man denkt.
- Die Vereine und sozio-kulturellen Zentren in deiner Nähe ausfindig machen. Die anzuhauen ergibt Sinn. Oft vergeben sie Proberäume, haben einen Tourbus, den man sich ausleihen kann, oder wissen, wie man an etwas Kohle für diese Zwecke kommt.
Also verhält es sich in der Förderung wie beim Kauf von Lebensmitteln: Halte es regional und halte in deiner Nähe Ausschau nach non-monetären Fördermöglichkeiten?
Genau so! In jedem Bundesland gibt es Institutionen und Vereine. In Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, NRW, Rheinland-Pfalz, Thüringen, Saarland, in Niedersachen, Mecklenburg-Vorpommern und auch in Brandenburg gibt es zum Beispiel die Landesarbeitsgemeinschaften für Rock und Pop. Die heißen in den jeweiligen Bundesländern immer ein bisschen anders, aber die kümmern sich als offizielle Interessenvertretung um Belange der Pop-Musiker:innen. Sie wissen zum Beispiel wie man an einen günstigen oder gar komplett geliehenen Tourbus rankommt. Am besten noch vollgetankt und versichert. Außerdem führen sie viele Projekte durch, von denen Musiker:innen direkt partizipieren können.
Ganz wichtig für mich und meiner Arbeit ist es daher immer wieder zu betonen dass, Musiker:innen sich niemals von einer Vereinsstruktur abschrecken lassen sollten. Die meisten Vereine kümmern sich nämlich nicht nur um Newcomer:innen. Sie sind auch intensiv für Semiprofis da. An diesem Punkt geht es vielleicht nicht mehr darum, die Künstler:innen vom Proberaum auf die Bühne zu bekommen, sondern sie direkt in die Musikwirtschaft zu vernetzen. Oder sie eben vor schlechten Verträgen „zu retten“. Denn der große Pluspunkt eines Verein ist, dass dort Menschen sitzen, die sich ehrlich für deine Kunst interessieren, ohne eine Gegenleistung dafür zu erwarten. Das ist in der Musikindustrie natürlich der Hauptgewinn und ein besonders zu schützendes Gut.
Du arbeitest für den Verein Aktion Musik und das Contestformat „local heroes“. Was macht ihr genau?
Angefangen hat alles 1989, als der Verein Aktion Musik / local heroes e.V. in Salzwedel gegründet wurde. 1991 wurden zum ersten Mal die „local heroes“ aus den Regionen Salzwedel, Lüchow-Dannenberg und Uelzen auf die Bühne geholt. Inzwischen ist daraus eine bundesweite Instanz geworden. Wir arbeiten mit und für die deutsche Nachwuchsszene im Bereich Rock und Pop. Ursprünglich war „local heroes“ ein bundesweiter Musikcontest, das Angebot ist über die Jahre allerdings vielfältiger geworden. Es gibt ungefähr 130 „local heroes“-Veranstaltungen im Jahr. Die heißen nicht alle so; wir sind kein Franchise. Aber alle verfolgen das gleiche Ziel: Newcomer:innen eine Plattform und ein Gehör geben.
Deutschlandweit sind es ca. 100 Organisationen, die sich im Rahmen des local heroes-Netzwerks engagieren. Viele machen das ehrenamtlich. Aber es gibt auch Hauptamtliche, wie mich zum Beispiel. Alle brennen so sehr für die Musik, für die Menschen hinter der Musik und nicht für das Marketing. Leider ist der Frauenanteil unserer Teilnehmer:innen sehr gering, dafür gibt es mehr Frauen auf der Organisationsebene. Der Musikerinnen-Anteil auf der Bühne liegt tatsächlich im einstelligen Bereich. Das ist extrem bedauerlich. Wir glauben, dass das am Contest selber liegt. Frauen nutzen eher unser Netzwerk. Darum wollen wir das künftig auch viel mehr stärken. Weg vom Contest, hin zu Beratungen, Coachings, Vernetzung der Musiker:innen in die Musikindustrie, Öffentlichkeitsarbeit, Sinnesschärfung.
Schon jetzt lesen wir Verträge und beraten auch bei intensiven Anträgen wie zum Beispiel bei der Initiative Musik. Wir klären Grundsatzfragen wie: Lohnt sich die GEMA oder die GVL für mich? Was machen ein/e Manager:in oder ein Label genau? Das ist unsere eigentliche Kernkompetenz. Ansprechpartner:innen und Partner in Crime für die, die es möchten.
Also könnt ihr nicht nur Contest?
Nach außen hin wird „local heroes“ noch sehr stark als Contest wahrgenommen. Aber wir haben ganz klar den Auftrag, Kinder und Jugendliche für Musik zu begeistern und Musiker:innen zu fördern. Das umfasst in unserer Definition mehr, als nur einen Contest zu organisieren. Der Rahmen muss stimmen. Außerdem sind wir der Meinung, dass die große Contestwelle vorüber ist und es jetzt eher darum geht, sich mit den Musiker:innen intensiver auseinanderzusetzen und ihr Netzwerk zu stärken.
Die Zauberworte heißen: Showcases spielen, Coaching-Programme wahrnehmen, Mentor:innen finden. Viele unserer Coachings finden rund ums Länderfinale oder Bundesfinale statt. Oft über mehrere Tage. Unsere Musiker:innen können vor dem Contest oder auch danach immer auch Hilfe suchen oder Fragen stellen. Unsere hochkarätige Jury ist auch ein ständiger Ansprechpartner. Nicht selten hat ein Jurymitglied Künstler:innen unter seine Fittiche genommen. Peter Hoffmann, der Hitproduzent, hat das schon mehr als einmal getan.
Wenn Musiker:innen oder eine Band gut funktionieren, laden wir sie auch gerne zu anderen Veranstaltungen ein, buchen sie bei Konzerten oder vermitteln sie für Veranstaltungen. Völlig unabhängig davon, ob sie jetzt im Bundesfinale gewonnen haben oder vielleicht nicht mal ins Landesfinale gekommen sind. Das spielt bei uns keine Rolle. Allerdings betreuen wir das Jahr über so viele Musiker:innen, dass bis jetzt leider nie allen gerecht werden konnten.
Das hat in den letzten Jahren nicht so gut funktioniert, weil es sehr viele Bands geworden sind. Gleichzeitig sind die Fördermittel leider nicht mehr geworden. Das ärgert mich persönlich sehr. Ich würde gern zusammen mit einem festen und ehrenamtlichen Team viel mehr Musiker:innen erreichen und sie unterstützen. Das ist gerade meine große Aufgabe: Wie können wir umstrukturieren und mit den vorhandenen Ressourcen trotzdem noch viel mehr Musiker:innen auf ihren Wegen begleiten? Und da wir 2021 den 30. Geburtstag unseres Vereins feiern, wäre das ein tolles Geschenk an uns selbst, das Projekt auch inhaltlich zu erweitern.
Was kann man beim Contest gewinnen?
Die Sachpreise belaufen sich im Bundesfinale insgesamt auf circa 15.000 Euro. Wir sind definitiv darauf angewiesen, dass uns Firmen supporten. recordJet zum Beispiel unterstützt uns sehr damit, indem sie zum Beispiel einen kostenlosen Vertrieb für eine Single und einen Albumrelease verschenken. Der/ die Jurysieger:in bekommt sogar einen First Class Deal bei recordJet. Man kann aber auch Instrumente wie Sennheiser-Mikros, Equipment von IMG Stageline oder Gutscheine für Merchandise vom Musikhaus Thomann gewinnen. Außerdem gibt es noch einen Promotionspreis, den das Bundesland Sachsen-Anhalt stellt und der mit 2.000 Euro dotiert ist.
Du hast grade die Vereinsarbeit in den Vordergrund gerückt. Was ist Aktion Musik / local heroes e.V. für ein Verein und was unterscheidet ihn von anderen Institutionen und was macht ihn besonders für Musiker:innen?
Aktion Musik / local heroes e.V. ist ein deutschlandweiter Verein mit Sitz in Salzwedel, das ist in Sachsen-Anhalt. Unsere Partner:innen sind aber in ganz Deutschland. Damit sind wir ein Vorreiter für Vereinsarbeit. Das behaupten wahrscheinlich alle Vereine von sich und das ist auch gut und richtig so. Hervorheben kann man zum Beispiel auch den „SchoolJam“. Das ist ein deutschlandweites Netzwerk, das sich, wie der Name schon sagt, auf Schülerbands in ganz Deutschland konzentriert und auch Contests veranstaltet. Sie sind allerdings nicht so geographisch eng besiedelt.
Das Besondere an unserer täglichen Arbeit ist sicherlich das Begleiten – vom ersten Moment auf der Bühne bis hin zum Schritt in die Musiklandschaft. Von da an können wir die Musiker:innen immer noch mit Öffentlichkeitsarbeit unterstützen. Die Band Madsen sind in diesem Zusammenhang unvergessen.
Wer auch eine tolle Arbeit im non-monetärem Bereich leistet, ist die Popakademie Baden-Württemberg im Rahmen des „Bandpools“. Allerdings geht es da nicht um den klassischen Nachwuchs, wie wir ihn fokussieren. Im „Bandpool“ wird mit Musiker:innen zusammengearbeitet, die schon die Schwelle der Relevanz überschritten haben. Außerdem werden nur sieben bis acht Künstler:innen pro Jahr gefördert. Diese Musiker:innen können sich aber glücklich schätzen, denn auf sie warten ein super gutes Mentoring, Kontakte und generell ein Booster für ihre Karriere. Die Acts werden über 18 Monate beraten.
Was ich damit sagen möchte: Contests und Wettbewerbe sind nicht gleich Contests und Wettbewerbe. Dahinter steckt häufig sehr viel mehr, was langfristig Unterstützung bietet. Bei uns geht es um die Musik an sich, es müssen keine Stars daraus hervorgehen. Aber wenn es passiert, ist es natürlich ein Knaller.
Wir danken Julia Wartmann für das Gespräch.