Dein eigenes Crowdfunding in 7 Schritten
Tipps von der Expertin, wie du als Musiker:in dein Crowdfunding-Projekt erfolgreich finanzierst.
Crowdfunding ist als Finanzierungskonzept schon lange kein Geheimtipp mehr. Es geht darum, mit kleinen (oder auch größeren) Beträgen von Fans und Unterstützer:innen ein Projekt im Vorfeld zu finanzieren. Ist das Ganze erfolgreich, erhalten die Supporter:innen eine Gegenleistung. Wir haben für dich zusammengefasst, was die Möglichkeiten und Tricks in diesem Bereich sind, wo die Vor- und Nachteile liegen und wie man das Ganze am besten in Angriff nimmt.
Aber zum Einstieg: Die Geschichte des Crowdfunding, Baby!
Das Crowdfunding-Prinzip, bei dem sich viele Menschen zusammenschließen, um gemeinsam ein Projekt zu finanzieren, ist ein alter Hut. Das bekannteste Beispiel dafür ist wahrscheinlich der Aufbau der Freiheitsstatue in New York im Jahr 1885. Es gibt unzählige historische Beispiele dafür, aber richtig Fahrt aufgenommen hat das Crowdfunding erst im Internetzeitalter. Bereits 1997 gab es die erste Crowdfunding Kampagne, bei der die britische Rockband Marillion ihre Fans dazu aufgerufen hat, für ihre US-Tour Geld zu spenden. 60.000 Dollar später, konnte die Tour dann realisiert werden. Ein paar Jahre später, nämlich 2003, konnten Fans dann über die amerikanische Plattform Artistshare Musikproduktionen von Künstler:innen vorfinanzieren. Funfact: Das erste Projekt war ein Album der Komponistin Maria Schneider, das gleich mal einen Grammy gewonnen hat. Ob es am Grammy lag?-Wir werden es wohl nie erfahren, aber von nun an nimmt die Sache mit dem Crowdfunding und dem Internet richtig an Fahrt auf. 2005 kam Fundable. Es war die weltweit erste U.S. Plattform, die Crowd-Finanzierungen nach dem „Alles-oder-nichts-Prinzip“ für verschiedene Projekttypen ermöglichte. Erst 2008 startete Indiegogo in San Francisco und ein Jahr später Kickstarter in New York. 2010 ist dann mit Startnext, VisionBakery das klassisches Crowdfunding nach Deutschland gekommen. In der öffentlichen Wahrnehmung ist Crowdfunding seit 2015 auch einer künstlerisch-ambitionierten Masse bekannt geworden. Das ist eine gute Nachricht für alle Musiker:innen, denn damit erhöht sich die Anzahl der potenziellen Supporter:innen. Und die Kurve steigt und steigt. Trotzdem liegt Deutschland mit seinen 39,4 Millionen gefundeten Euro im Jahr 2019 weit hinter Großbritannien, die im selben Jahr mehr als das Doppelte gefundet haben – bei viel weniger Einwohnern, wohlgemerkt. Aber die Briten waren ja auch die ersten erfolgreichen Internet-Crowdfunder:innen überhaupt.
„Erfolgreich“ ist dabei wohl das Schlüsselwort. Vielleicht trauen sich einige von euch noch nicht an diese „komische“ Sache mit dem Funden ran, weil man ja auch scheitern kann. Es ist schließlich der Moment, in dem du aus deiner Komfortzone austrittst und das Glück und deinen Traum ein wenig (oder ziemlich heftig) herausforderst. Erst Welle machen, dann potenziellen Spender:innen und der Social-Media-Comunity auf den „Sack“ gehen, um dann vielleicht am Ende und in aller Öffentlichkeit zu scheitern?! Super demotivierend. Oder doch nicht?
Darum verpassen wir dir heute ein stabiles Netz und doppelten Boden, damit du weich und erfolgreich mit deinem Crowdfunding-Projekt hoch hinaus fliegen und anschließend unversehrt landen kannst. Neben einem guten Produkt, einem starken Auftritt, einer fairen Crowdfunding-Summe und besonderen Prämien für deine Community, fehlt eigentlich nur noch eine Portion Glück zum Erfolg.
Und du solltest unbedingt den Expertinnen-Tipps von Daria Wabnitz folgen. Daria war Senior Product Managerin beim Indielabel Filter Records und arbeitet heute als Streaming Managerin bei Universal. Sie beschäftigt sich seit Jahren mit der Relevanz, dem Mehrwert, der Erfolgsquote und dem richtigen Umgang mit Crowdfunding. Auch mit ihrer eigenen Band „The Jooles“ hat sie erfolgreich gefundet und war im „Learn to fly“-Workshop auch für recordJet Speakerin zum Thema Crowdfunding.
Welche Crowdfunding Plattformen gibt es und welche Vorteile haben sie?
„Es gibt rund 10 relevante Crowdfunding-Plattformen in Deutschland. Die bekanntesten heißen Startnext, Kickstarter, Indiegogo und Correct!v. Startnext ist und bleibt aber der Marktführer, vor allem für deutsche Musiker:innen.“ Aus Erfahrung weiß unsere Expertin, dass nationale Musiker:innen, auch wenn sie englisch singen, bei Startnext den größten Erfolg erzielen. Dort schaffen es über 56% aller Projekte bis ins Ziel, beim erfolgreichsten amerikanischen Ableger Kickstarter kommen diese Art von Projekt nur auf 36%.
Beide Crowdfunding-Plattformen eignen sich fantastisch für Solomusiker:innen oder Bands, die noch keinen Labelvertrag, vor allem keinen Major-Deal, haben. Oft ist die Akzeptanz bei den Spender:innen geringer, wenn ein größeres Label dahinter steht, weil davon ausgegangen werden muss, dass sich das Label nur die Kosten sparen und sie auf deine Crowdfunding-Community umschlagen will. Wenn du also ungebunden bist und den nächsten Schritt machen willst, sagt unsere Expertin: „Mach es mit Crowdfunding – und nicht alleine.“
Die Vorteile der Plattformen sprechen für sich. Sie sind gesellschaftlich akzeptiert und verfügen über eine gute Infrastruktur, zum Beispiel wenn es um das unkomplizierte Bezahlsystem geht. Außerdem kannst du dich wunderbar mit Videos, Fotos und deinem Pitching-Text zeigen und so eine viel größere Reichweite erhalten. Du bekommst auch die Möglichkeit, dich von den Mitarbeiter:innen der jeweiligen Plattformen individuell beraten zu lassen. Außerdem wird deine „Erfolgsaussicht“ im vorneherein für dich geprüft, damit du nicht komplett baden gehst. Den wichtigsten Punkt beim Crowdfunding sieht Daria in der komfortablen Lage des/ Künstlers:in. Er tritt durch die Plattform aus der Rolle des Bittstellers heraus. Durch die offizielle Note und die natürliche Distanz entstehen so etwas wie ein Investor-Investment-Gefühl und damit eine höhere Wertigkeit zum Produkt und dem/der jeweiligen Künstler:in.
Schritt 1: Was brauche ich für ein erfolgreiches Projekt?
Die Popakademie Mannheim und auch die Crowdfunding-Plattformen selber bringen immer wieder Statistiken für die erfolgversprechendsten Projekte in der Musikindustrie heraus. Dabei sticht ganz klar hervor, dass die gute alte Albumproduktion die höchste Akzeptanz bei den Spender:innen hervorruft. Über 76% aller Funder:innen gehen erfolgreich aus ihrem Projekt heraus. Eine eigene Tour über Crowdfunding zu generieren ist, by the way, das schwerste Unterfangen, wie die Statistik mit mickrigen 3,6% erfolgreich abgeschlossener Projekte deutlich macht. Für dein Musikvideo hat die Statistik ebenfalls deutliche Zahlen. Gerade einmal 6,3 % erfolgreiche Projektabschlüsse waren hier in den vergangenen Jahren zu verzeichnen.
Schritt 2: Die richtige Funding-Summe
Die richtige Summe zu funden ist eine heikle Angelegenheit. Daria hat die wichtigsten Punkte für dich zusammengefasst:
- Dein Budget muss im Verhältnis zum Projektziel für alle Spender:innen angemessen erscheinen
- Überschlage die Größe, Kaufkraft und Kaufbereitschaft deiner Fanbase
- Marketing und Promotion: Wie kannst du deine bestehenden und neue Fans bzw. Unterstützer:innen erreichen? Könnt ihr z.B. Medien oder Influencer:innen einbinden? Vielleicht lohnt es sich, Werbeanzeigen bei Social Media zu schalten.
- Besitzt du Eigenmittel? Können größere Investoren eingebunden werden?
- Denk an die Kosten – der Gewinn ist im Endeffekt kleiner als die Funding-Summe, z.B. Ausgaben für Marketing und Promotion, Content- und Prämienproduktion und -lieferung, Steuern, Spende/Provision für Crowdfunding-Plattform
Schritt 3: Welche Deals und Geschenke sind Kassenschlager und welche Ladenhüter?
Das Allerwichtigste zuerst: Sei nicht zu billig! Setze bei den Prämien ruhig ein wenig höher an. Prinzipiell solltest du wissen, dass du alles, was du einnimmst, auch versteuern musst. Plus die Provision, die an die Crowdfunding-Plattformen geht. Diese liegt bei Startnext zwischen 5% und 7%.
Du kannst aber auch einen Posten einrichten, auf dem deine Community freiwillig Spenden kann. Dieses Angebot wird sehr oft genutzt und das Gute ist, dass diese Beteiligung nicht versteuert werden muss.
Die beliebtesten Deals haben übrigens immer etwas mit dem Produkt zu tun. Sprich die klassische CD, Vinyl oder Wohnzimmerkonzerte, der Verkauf deiner Gitarre, Tickets für Konzerte oder jemanden deinen eigenen Song schreiben zu lassen. Sei da ruhig erfinderisch und schau dir die erfolgreichsten Projekte an, wie zum Beispiel das von der Band „The Bianca Story“.
Schritt 4: Kenne deine Zielgruppe
Wenn du ein super Produkt hast, dir super Prämien ausgedacht hast und eine nachvollziehbare Summe angibst, hast du schon viel für deinen Erfolg getan. Aus den Statistiken geht hervor, dass du als bereits etablierte/r Künstler:in kaum Chancen auf ein erfolgreiches Comeback auf so einer Plattform hast. Bist du aber unbekannt, einfach sympathisch und talentiert, ist es fast ein Selbstläufer.
Für manche Supporter:innen ist der regionale Aspekt auch ausschlaggebend. Das Wichtigste auf deiner Crowdfunding-Reise ist, deine Zielgruppe genau zu kennen. Familie und Freund:innen machen tatsächlich nur knapp ein Drittel deiner Unterstützer:innen aus. Vielmehr liegt der Bärenanteil, nämlich 40%, auf losen Beziehungen wie Arbeitskolleg:innen etc., die du abholen und für dein Projekt gewinnen kannst. 30% sind in der Regel völlig fremde Menschen, woran man sehr gut erkennen kann, was für ein unglaublicher Werbeboost Crowdfunding für deine Sache sein kann. Kleiner Funfact: Bis zum Alter von 40 Jahren ist die Bereitschaft der Spender:innen für ein Projekt die Brieftasche aufzumachen am Höchsten, danach nimmt die Kurve langsam aber kontinuierlich ab.
Schritt 5: Die Optik
Neben guten und professionellen Fotos sind dein Pitch und dein Video deine Visitenkarte. Die müssen einfach sitzen. Damit du weißt, worauf du inhaltlich eingehen solltest, um deine Community abzuholen, hat Daria den perfekten Fragenkatalog erstellt.
- Warum machst du dieses Album und warum sollten dich die Menschen unterstützen?
- Was sind deine musikalischen Einflüsse?
- Wie würdest du deine Musik beschreiben/bezeichnen?
- Was für Musik hörst du privat?
- Was gefällt dir am Musik machen?
- Was bedeutet dir das Live-Spielen bzw. der Kontakt zum Publikum?
- An wen richtet sich deine Musik?
- Was magst du an deinen Fans?
- Was waren aus deiner Sicht die wichtigsten Stationen als Band bisher?
- Was hast du aus deinen bisherigen Erfahrungen mitgenommen?
- Was hast du schon getan, um dein Ziel zu erreichen und was musst du noch tun?
- Wofür wird das Geld verwendet?
- Warum bist du auf das Geld angewiesen und warum geht es nicht ohne die Spender:innen?
- Warum willst du die Crowd und z.B. keine Bank?
- Was möchtest du zurückgeben?
- Was ist deine Meinung zu Crowdfunding?
- Wie fühlst du dich dabei, um Geld zu bitten? Authentizität ist hier eine super Sache. Gerne ehrlich sein.
- Was denkst du, wie eine junge Band im Musikgeschäft heutzutage überleben kann?
- Warum suchst du dir nicht einfach ein Major-Label?
- Wie entstehen deine Songs?
- Warum nimmst du dein Album nicht zu Hause auf?
- Was ist dir an der Produktion wichtig?
- Wie würdest du dich fühlen, wenn das CF-Ziel erreicht wird? Wie, wenn nicht?
- Was machst du, wenn du „gewinnst“?
- Worauf freust du dich am meisten, wenn das Album veröffentlicht ist?
- Was tust du, wenn das CF nicht klappt?
- Wo siehst du dich in 2 Jahren?
Schritt 6: Durchhaltevermögen
Du brauchst auf jeden Fall einen langen Atem. Und Erfindungsreichtum. Der durchschnittliche Zeitraum einer Crowdfunding-Kampagne liegt bei 45 Tagen.
Sei dir sicher, dass diese Zeit intensiv wird. Rechne dir aus, wie viel Geld du am Tag umsetzen musst, um am Ende auf deine Summe zu kommen. Falls du dir nach ein paar Tagen Sorgen machst, dass trotz offensiver Arbeit zu wenig rumkommt, kann euch Daria beruhigen. In der Regel warten die Spender:innen mit ihren Geldregen meistens bis 10 Tage vor Ablauf der Frist.
Das fühlt sich für dich bisweilen vielleicht wie ein Krimi an, aber wenn deine Einnahmen kontinuierlich wachsen, stehen die Chancen sehr gut, dass du es schaffst. Du solltest dich bei jedem/jeder der Spender:innen direkt und persönlich bedanken, sobald er oder sie was gespendet hat. Dafür eignen sich die sozialen Medien ganz ausgezeichnet. Erstelle Reels oder Stories auf Instagram oder TikTok, wo du in die Charmeoffensive gehen kannst. Erinnere deine Community auch regelmäßig an dein Vorhaben. Versuche deine Posts an das Tagesgeschehen zu koppeln, dass es nicht immer wie Werbung rüberkommt.
Mach den Leuten begreiflich, worum es dir geht. Nutze dafür die Sprache der Bilder, der Videos. Mach Screenshots von deiner eingenommenen Summe und der zu erreichenden Summe. Hol sie mit in dein Boot. Sei nicht schüchtern, sondern kämpfe für deinen Erfolg. Es lohnt sich, Crowdfunding boomt mehr denn je.
Schritt 7: Deine To-Do-Liste
- Projekt konzipieren (Finanzierungssumme, was soll dafür entstehen?), Projektbeschreibung schreiben
- Prämien konzipieren und jeweils kleinen Beschreibungstext und Prämienfoto/-video erstellen
- Bandbilder für Galerie auswählen
- Produktdemo: z.B. Soundcloud-Albumdemo-Mix
- Englische Version der Projektseite
- Konzept & Produktion Pitch-Video
- Transkription und Übersetzung des Pitch-Videos, Untertitel im Pitch-Video einstellen
- (Interaktive) Liste mit potentiellen Unterstützer:innen erstellen, diese Unterstützer:innen persönlich anschreiben
- Anmeldung aller Projektmitglieder bei „Startnext“ für Team und Zugriff
- Fans bzw. Votes zur Freischaltung (steigert Qualität und Erfolgsquote der Projekte, Markt- und Potenzialanalyse bzw. Marktübersicht)
- Kommunikationsplan / Maßnahmen zur Bewerbung/Content Erstellung Media, Blog auf Crowdfunding-Plattform, Offline
- Prämien erstellen, verpacken und versenden
Fazit: Der Mehrwert deiner Crowdfunding-Aktion
Egal wie die Sache ausgeht. Eines hast du garantiert erreicht. Viel mehr Berichterstattung: Zeitungen, Social Media, Radio, mehr Konzerte. Menschen lieben Erfolgsgeschichten. By the way hast du deine Reichweite auch enorm vergrößert. Das steigert das Fan-Engagement und ohne Fans geht ja mal gar nichts.
Wir danken Daria Wabnitz für ihr Insider-Wissen und hoffen, du bist jetzt gestärkt für diese verrückte Sause. Also vergiss nicht:
Das Glück ist mit den Mutigen!