Artist Centric Payment – Die Zukunft der Streaming-Abrechnung?
Die ersten Tests laufen, aber noch eingeschränkt. Was heißt das für dich?
Ein Dauerbrenner unter den Themen, die Musiker:innen bewegen, ist nach wie vor die genaue Regelung und Verteilung der Einnahmen ihrer Songs auf den diversen Streaming-Portalen wie Spotify, Deezer, Apple und Co. Es gibt News in diesem Bereich! Wir haben dir die Infos zusammengefasst.
Das aktuelle Abrechnungssystem: Pro-Rata
Bisher funktioniert die Abrechnung auf den Streaming-Plattformen mit dem sogenannten Pro-Rata-Modell. Das heißt Musikdienste generieren Einnahmen aus Abonnementgebühren, Werbeeinnahmen oder einer Kombination aus beidem. Diese Einnahmen werden dann in einen Topf gegeben, aus dem später Auszahlungen vorgenommen werden. Der Streamingdienst ermittelt dann die Gesamtzahl der Nutzung (z.B. Streams oder Creations), die in einem bestimmten Abrechnungszeitraum für alle Songs zusammen verzeichnet wurden. Jede/r Rechteinhaber:in erhält je nach Nutzung dann einen Anteil an den Einnahmen. Die genaue Aufteilung hängt von den Vereinbarungen ab, die zwischen den Parteien getroffen wurden. Die Einnahmen variieren zudem je nach Geschäftsmodell und Land und werden auf monatlicher Basis berechnet.
Bist du Taylor Swift oder Apache sind das richtig gute Neuigkeiten. Denn das würde bedeuten, dass dein Marktanteil (Anzahl deiner Streams je Monat/Anzahl aller Streams je Monat) hoch ist, das heißt die Musik wird extrem viel gestreamt. Genau das haben die Streaming-Plattformen mithilfe des Pro-Rata-Modells bisher belohnt, indem sie dem Artists bessere Shares pro Stream gezahlt haben. Die Argumentation dafür ist, dass viel gestreamte Künstler:innen die Hörer:innen auf die jeweiligen Plattformen ziehen.
Das Pro-Rata-Modell steht allerdings schon seit längerer Zeit in der Kritik, da es die ohnehin schon leistungsstarken Künstler:innen fördert und die weniger leistungsstarken Artists benachteiligt. Außerdem: In einem System, in dem Algorithmen den Nutzer:innen immer wieder das empfehlen, was ohnehin schon erfolgreich ist, wird es für die anderen schwieriger, die nicht so im Fokus stehen. Und genau da setzt das User Centric Payment System an.
Alles neu mit User Centric Payment?
Anfang des Jahres erklärte die Universal Music Group, dass sie mit dem Streamingdienst Deezer zusammenarbeiten würde um „potenzielle neue wirtschaftliche Modelle für das Musikstreaming zu untersuchen, die den von den Künstler:innen geschaffenen Wert stärker berücksichtigen.“ Große Worte, aber wo genau liegt beim User Centric Payment System, kurz UCPS, der Unterschied zum Pro Rata-Modell? Dafür müssen wir einen Schritt zurückschauen.
Schon seit einiger Zeit gibt es alternative Vorschläge hinsichtlich des Bezahlsystems. Aber erst mit der „Payment Option Transparency“-Studie, die vom Verband Freier Musikschaffender e.V. PRO MUSIK erstellt und veröffentlicht worden ist und sich an Künstler:innen, ihre Vertreter:innen oder Geschäftspartner:innen richtet, ist es geglückt, Argumente für die Einführung eines sogenannten User Centric Payment Systems – eines nutzerorientierten Bezahlsystems – zu sammeln, die schlussendlich Teile des Musikbusiness überzeugt zu haben scheint.
Man geht davon aus, wie die Studie von PRO MUSIK belegt, dass die Einführung eines UCPS zu signifikanten Veränderungen in der Verteilung der Einnahmen aus dem Musikstreaming führen würde. Das liegt daran, dass bei dem UCPS Modell keinen Gesamt-Topf mehr gäbe, in dem alle Abo-Einnahmen, wie beim Pro-Rata-Modell gesammelt und dann auf die Künstler:innen mit den meisten Streams aufgeteilt werden würden. Stattdessen würde die Abo-Gebühr jeder/s einzelne/n Abonnent:in individuell verteilt – anteilig unter den Artists, die von den Abonnenten:innen gestreamt würden. Dies funktioniert, indem die Abrechnung auf Grundlage der tatsächlichen Streams individueller Nutzer:innen erfolgen würde: Bestimmt Künstler:in A 10 Prozent aller von Nutzer:in A getätigten Streams, so erhält er/sie auch 10 Prozent der Abogebühr des/der Nutzer:in.
Was wären die großen Veränderungen mit UCPS?
Die Revolution ist das Modell zwar nicht, aber es hat einige Vorteile für kleinere Artists. Es wird genau das verteilt, was an reellen Klicks auf deinem Profil zu finden ist. Und das sieht ungefähr so aus:
- Durch die Einführung eines nutzerzentrierten Auszahlungsmodells würden laut Studie von PRO MUSIK 25,4 Prozent aller Abo-Umsätze umverteilt werden.
- 68 % der Künstler:innen würden dabei 40 % weniger, bzw. mehr Einnahmen erhalten. Bei 19 % der Künstler:innen würden sich die Einnahmen im Schnitt verdoppeln.
- Laut der Studie bestimmen drei Faktoren, ob sich für dich als Artist etwas zum positiven verändern würde. Der erste Faktor heißt „Relative User Reach.“ Der bemisst die Anzahl der Nutzer:innen, die deine Musik streamen, und zwar im Vergleich zu deinen Streams. Der zweite Faktor ist das sogenannte „User Commitment“. Dieser bemisst, wie häufig deine Zuhörer:innen dich streamen, im Vergleich zu anderen Artists. Der dritte und letzte Faktor ist der „Average User Spend“. Hierbei wird geschaut, was für ein Musik-Abo deine Zuhörer:innen haben.
Profitieren würdest du von dem neuen System, wenn:
- Deine Streams vergleichsweise von so vielen Hörer:innen wie möglich kommen.
- Deine Hörer:innen vergleichsweise weniger andere Artists hören.
- Deine Hörer:innen vergleichsweise höhere Musik-Abos haben.
Deezer macht den Anfang, mit dem Mittelweg: dem Artist Centric Payment
Die Streaming-Plattform Deezer ist die erste Plattform, die nun neue Wege geht. Aber sie gehen den Mittelweg. Das bedeutet: Sie gehen weiterhin den Weg mit dem Pro-Rata-Modell, allerdings stark modifiziert. Es nennt sich „Artist Centric Payment“. Deezer und die Universalgroup sehen es als künstlerzentriertes Streaming-Modell, das sich zur Aufgabe macht, Künstler:innen und Musik besser zu vergüten und gleichzeitig das Fan-Erlebnis zu verbessern.
Sie sind der festen Überzeugung, dass das derzeitige Musikstreaming Modell überdacht werden muss. Denn Deezer findet, dass das Streaming zwar der bedeutendste technologische Fortschritt im Musikbereich seit vielen Jahren ist, allerdings durch die Flut von Uploads ohne sinnvolles Engagement, darunter auch Inhalte, die nicht von Künstler:innen stammen, eine Neubewertung des Ansatzes, den Plattformen, Labels und Künstler:innen zur Förderung eines florierendes Musik-Ökosystem zu fördern verdient hat. Dieses Pilotprojekt wird ab dem 4. Quartal 2023 vorerst nur in Frankreich starten.
Es gibt dabei vier Kernpunkte, unter denen die neue Vergütung zum Tragen kommen werden wird.
- Die Auszahlungen unter Berücksichtigung des ACPS wird an „professionelle Künstler:innen“ gehen – Die Definition für professionelle Musiker:innen bedeutet für Deezer, dass die Musik-Artists mindestens 1.000 monatliche Streams von mindestens 500 unterschiedlichen Zuhörer:innen erhalten.
- Es erfolgt außerdem eine doppelte Erhöhung für „Songs, mit denen Fans aktiv
den wirtschaftlichen Einfluss der algorithmischen Programmierung umprogrammieren“. Das bedeutet, dass Tracks, die sich die Hörer:innen aussuchen, angehört werden, anstatt sie in einer personalisierten Wiedergabeliste angezeigt bekommen zu haben. - Zudem sollen „nicht-künstlerische Geräuschinhalte“ (z. B. weißes Rauschen,
Wellengeräusche usw.) durch eigene „Inhalte im Bereich der funktionalen Musik“ ersetzen,
damit sie nicht mehr, wie bisher, bei der Berechnung der Ausschüttungen in den Tantiemen Pool mit einbezogen werden. - Als vierten und letzten Punkt wird es schließlich noch ein aktualisiertes und strengeres
Betrugserkennungssystem geben, um Streaming Fraud oder anderes zu erkennen und zu entfernen, die versuchen das System zu manipulieren. Wie genau das aussieht, ist uns allerdings noch nicht bekannt.
Als Teil des künstlerzentrierten Modells beabsichtigt Deezer des Weiteren, eine strengere „Anbieterpolitik“ anzuwenden, um Qualität und ein besseres Nutzererlebnis zu gewährleisten. Dazu gehören auch Maßnahmen zur Begrenzung von Inhalten, die nicht von Künstler:innen stammen.
Jetzt heißt es abwarten und anschauen, wie das neue System in Frankreich ankommt. Aber eins kann gesagt werden: Es bleibt spannend!