Der Musiker:innen-Anwalt- Was der VUT für dich als Artist macht! (Teil 2)
recordJet im Interview mit Geschäftsführer Jörg Heidemann vom Verband unabhängiger Musikunternehmer:innen
Im ersten Teil unseres Interviews mit VUT-Geschäftsführer Jörg Heidemann sprachen wir über den Verband unabhängiger Musikunternehmer:innen und was dieser für dich als Musiker:in tun kann. Hier kannst du das Ganze nachlesen. In Teil zwei geht es um weitere finanzielle Unterstützung für Musikschaffende in der aktuellen, von Corona bedingten schwierigen Situation.
Was uns Jörg Heidemann im Interview erzählt hat, erinnerte mich sofort an ein Zitat aus dem Hollywoodstreifen „Der Krieg des Charlie Wilson“. Darin ging es um einen Zen-Meister, der immer, wenn einem Jungen aus dem Dorf etwas scheinbar Schlimmes passiert war, nur: „Man wird sehen…“ gesagt hatte. Und so ist das mit der Corona-Situation auch. Man wird sehen! Denn Krisen können immer auch Chancen sein. Auch wenn es momentan ätzend ist und niemand so richtig weiß, wie der hoffnungsvoll erwartete Live-Winter aussehen wird und was sonst noch auf uns zukommt, waren Jörg Heidemann, der VUT und viele andere Verbände aus der Musikindustrie nicht untätig und haben sich für euch und die Realisation eurer Musiker:innenträume richtig ins Zeug gelegt.
Wie genau will der VUT die Musikindustrie revolutionieren?
Mit „Level Playing Field“. Das heißt im Klartext: Wir möchten, dass alle Musikunternehmen, unabhängig von ihrer Größe, ausreichend Platz haben und nicht von den Großen platt gemacht werden können. Wir positionieren uns ganz klar gegen jede Art von Monopol. Diese ganzen Monopol-Medien-Giganten (Google, Amazon…) sind uns ein Dorn im Auge. Es ist uns ein dringendes Anliegen gegenüber der Politik und der Gesellschaft, dass die Künstler:innen und ihre wirtschaftlichen Partner:innen gesehen und gehört werden, die kulturelle Vielfalt gefördert wird und erhalten bleibt und schlussendlich auch verstanden wird, welche Rahmenbedingungen entsprechend gestaltet werden müssen. Das treibt uns an. Musik machen ist ja ein Prozess, der nicht auf der Bühne anfängt und sich auch nicht darum drehen sollte, wie effizient sie für den Geldbeutel ist. Die großen drei internationalen Plattenfirmen Warner, Sony und Universal sind am Ende nur Aktienunternehmen, die zwar Künstler:innen aufbauen, bei denen am Ende aber immer das Geld stimmen muss.
Wie sieht seit der Corona-Zeit dein Alltag aus?
Zunächst mal weitestgehend Homeoffice fürs Team und viele Telefonkonferenzen. Priorität hat im Moment, in Zusammenarbeit mit allen anderen maßgeblichen Musikverbänden auf politischer Ebene, die Musikwirtschaft und ihre enge Verzahnung zu erklären und für Hilfs-und Förderprogramme zu werben. Denn es ist in solchen Situationen für die Musikwirtschaft enorm wichtig, mit einer menschlichen Stimme zu sprechen. Man kann wirklich sagen, dass die letzten Monate eine sehr arbeitsintensive und herausfordernde Zeit waren. Wir waren als Verbände gemeinsam, miteinander und ausgesprochen solidarisch auf diversen politischen Ebenen unterwegs. Vom Kulturausschuss der CDU/CSU über Mittelstands-Kreativforen der SPD bis weiter über den Austausch mit dem kulturpolitischen Sprecher der Grünen. Es gab unzählige Zoom-Runden der gesamten Kultur-und Kreativwirtschaft, zum Beispiel mit dem Bundeswirtschaftsministerium oder mit der BKM, sowie vielen internen Abstimmungsrunden. Ja, das waren relativ arbeitsreiche letzte Wochen.
Gibt es denn konkrete Hilfe für Musiker:innen? Es ist ja immer wieder von einem Corona-Hilfspaket die Rede.
Ja! Staatliche Hilfen können zwar nicht alle durch die Pandemie ausgelösten Schäden beheben, aber wir konnten einige, anfangs unerreichbar scheinende Ergebnisse erzielen. Denn die Bundesregierung war erst einmal nicht gewillt, sektorenspezifische Maßnahmen zu verabschieden. Für die Kultur- und Kreativwirtschaft, in der viele der allgemeinen Hilfen nicht greifen, obwohl sie zu den am härtesten getroffenen Branchen zählt, wäre das eine Katastrophe gewesen! Ein gemeinsames Schreiben aller Verbände der Kultur- und Kreativwirtschaft an die Bundeskanzlerin und die Finanz-, Wirtschafts- und Kulturministerien haben dazu beigetragen, dass nun doch eine Milliarde Euro unter dem Namen „Neustart Kultur“, spezifisch für den Kultursektor bereitgestellt wurde.
Leider ging das Programm erst nicht auf die hochgradige Arbeitsteilung und gegenseitige Abhängigkeit der Teilbranchen innerhalb der Musikwirtschaft ein. Erst in intensiven Gesprächen und Verhandlungen konnten wir sicherstellen, dass auch die Situation von Labels und Verlagen bei der Umsetzung berücksichtigt wird.
Welche Vorteile können Musiker:innen und Musikunternehmen nun nutzen?
Eine der Maßnahmen, für die sich der VUT besonders eingesetzt hat, ist die substantielle Erhöhung der Mittel für die sogenannte. „Künstler:innenförderung“ der Initiative Musik. Wir hatten das Förderprogramm schon 2008 entscheidend mit konzipiert. Bisher konnten Künstler:innen und ihre wirtschaftlichen Partner:innen gemeinsam bis zu 40% Förderung von Produktions-, Marketing- und Tourneekosten beantragen. Das ist auch weiterhin so. Zur Unterstützung neuer Projekte wird das Programm jetzt massiv aufgestockt. Es stehen zusätzlich zu den laufenden Budgets weitere 10 Millionen Euro zur Verfügung und der Förderanteil wurde gerade von 40% auf 90% erhöht. Das heißt, der von Antragstellenden zu tragende Eigenanteil beträgt nur noch 10%. Zusätzlich zu Produktion, Marketing und Tourneen, können auch Werkkreation, Probe- und Vorproduktionszeiten gefördert werden, die Auszahlung der Gelder erfolgt Projektbezogen.
Ich empfehle also jedem: Wenn das Programm für eure aktuellen Projekte passt – stellt Anträge! Hier gibt es weitere Infos zu den laufenden Programmen unter anderem auch in den Bereichen Club, Live und Digitalisierung. Es bleibt spannend.
Wir danken Jörg Heidemann für das Interview.
Über Jörg Heidemann
Jörg Heidemanns Vita ist gespickt von scheinbaren Umwegen und Entscheidungen aus dem Bauch heraus. Zum Glück! Der studierte Diplom-Psychologe, der seinen Nebenjob in einem Plattenladen so gut gemacht hat, dass er ihn am Ende übernahm, besticht durch einen turbulenten Lebenslauf: Angefangen hat er als Exportmanager bei der „EFA Medien GmbH“, einem der größten Independent-Vertriebe Deutschlands. Nach einem kurzen Abstecher bei „Universal Music Deutschland“ erfüllte sich mit zwei Freunden seinen Traum: Einen eigenen internationalen physischen Vertrieb.
Seit 2010 war er zunächst als freier Projektmanager im Bereich Wirtschaft beim VUT, der mittlerweile 1200 Mitglieder umfasst, beschäftigt. Seit Dezember 2014 dann auch schlussendlich als Geschäftsführer. Darüber hinaus sitzt er u.a. im Beirat des „Musicboards Berlin“ und ist Mitglied des „Charts- und Marketingsausschusses des BVMI“. Er ist außerdem internationales Mitglied des „Impala Management Boards“ und „WIN Director“. Auf dem Reeperbahnfestival organisiert er VUT- Panels und vernetzwerkt die Musikwelt untereinander. Frei nach dem Motto: „Rinn ins System und von innen aufmischen“, mischt er seitdem mit seinen Kolleg:innen die Musikindustrie ordentlich auf.