Wofür brauche ich als Künstler:in ein Management? Alle Infos auf einen Blick
recordJet im Interview mit Artistmanagerin Silke Grän
Wann brauche ich als Musiker:in Hilfe? Und ab wann sollte diese Unterstützung in Form eines/einer Manager:in kommen? Wie findet man potenzielle Manager:innen und was genau machen diese? Nach den Antworten auf diese und weitere Fragen haben wir die Expertin Silke Grän gefragt.
Silke ist eine Hamburger Pflanze, hat Eventmanagement studiert und ist in den 2000ern ins Musikmanagement abgebogen. Sie mag den Titel „Beraterin“ lieber als „Managerin“. Gearbeitet hat sie unter anderem mit Größen wie Frida Gold oder Tokio Hotel und ist Profi in zahlreichen Bereichen: Angefangen beim Tourmanagement bis hin zu Promotion und Personalmanagement.
Silke, Hands aufs Herz: Ab wann lohnt sich ein Management für Artists?
Mittlerweile machen Künstler:innen unglaublich viel selber. Sie gründen eigene Labels, erarbeiten tollen Social Media Content, entwickeln Grafiken, produzieren Musikvideos oder professionelle Fotos. Das umfasst sehr viele Themengebiete, die ein/e Künstler:in vor zehn Jahren noch nicht selber übernommen hat. Musiker:innen sind mittlerweile viel selbständiger geworden. Sie fragen viel mehr nach. Wollen mehr wissen und mitbestimmen. Das ist eine tolle Entwicklung! Früher hat diese Aufgaben oft ein Management übernommen, oder es war zumindest maßgeblich dafür verantwortlich. Das klassische Künstler:innenmanagement kommt aus einer anderen Zeit. Und ich glaube, dass es heutzutage auch ohne Management gut funktionieren kann.
Wenn man als Musiker:in eine gewisse Größe überschritten hat, würde ich allerdings dazu raten, sich auf die eigene Kunst zu konzentrieren. Auf seine Fähigkeiten zu besinnen. Einigen Künstler:innen tut es nicht gut, sich zu sehr mit Businessplänen und Strategien zu beschäftigen. Das ist zu trocken und auch nicht Sinn der Sache. Ab einer gewissen Größe bezüglich des Erfolges ergibt es Sinn, sich jemanden dazu zu holen. Es sollte sich ja möglichst für beide Seiten lohnen.
Daher gehört es auch für Künstler:innen dazu, abgeben zu lernen. Mein Tipp: Übergib die To-Dos und die zu erarbeitenden Strukturen an andere, damit du weiter kreativ sein kannst. Nimm dir Zeit, schreibe Texte, Melodien und tauche auch mal ab und vertraue deinem Team. Damit möchte ich nicht sagen, dass Künstler:innen sich nicht einmischen sollen. Ganz im Gegenteil. Ich liebe es, mit selbstbestimmten Menschen zu arbeiten, die genau wissen, was sie wollen und was nicht. Das bestmöglich zu filtern, herauszuarbeiten und zu optimieren, genau dafür ergibt ein Management Sinn.
Wie findet man als Künstler:in das richtige Management?
Das hat ganz viel mit dem Bauchgefühl zu tun. Außerdem sollte man sich als Künstler:in für diese Entscheidung Zeit lassen. Wenn jemand drängelt, würde ich immer die Finger davon lassen. Der zweite große Punkt ist die eigene Taktik. Ich muss mich als Artist selbst gut einschätzen und mir die Frage stellen: Möchte ich eine/n Solo-Manager:in, der/die verschiedenste Bereiche abdeckt und sich um mich kümmert? Oder möchte ich in eine große Agentur einsteigen, die viele Künstler:innen vertritt? Man muss sich bewusst machen, dass beides Vor- und Nachteile haben kann und man sich bei der Suche nach Erfolg (den jeder für sich anders definiert) nicht von anderen Künstler:innen ablenken lassen darf. Nur weil es bei IHR geklappt hat und die Radios diesen Song rauf und runter spielen, ist das kein Garant dafür, dass genau dieses Konzept dieser Agentur oder des/der Solo Manager:in einen selbst auch zum Erfolg führen. Ein ausgearbeitetes Konzept lässt sich nicht 1 zu 1 adaptieren, es ist maßgeschneidert und beinhaltet viel Arbeit.
Ganz wichtig: Strategie, Kampagne und Konzept sind bei jedem/r Künstler:in individuell. Für die Agentur spricht natürlich, dass andere, schon etablierte Künstler:innen, die auch von der Agentur vertreten werden, einen eventuell unterstützen. Aber unabhängig von Agentur, Vitamin B und Bauchgefühl, glaube ich auch ein bisschen daran, dass man als Künstler:in gefunden werden muss. Und natürlich gibt es gute Managements, die anrufen, wenn man Erfolg hat. Das richtige Management ist aber das, das an deinen Erfolg glaubt und dich unterstützt, auch wenn der Erfolg noch nicht da ist. Es ist Aufbauarbeit, und wie oft hat es Jahre gedauert, bis sich eine Tür öffnet.
Natürlich reicht aber „finden lassen“ alleine nicht aus. Man sollte die „Skills“ des Managements ein bisschen beleuchten. Ein Management sollte sich nicht nur in der Branche, sondern auch mit Menschen und Zahlen auskennen und dazu ein paar betriebswirtschaftliche Fähigkeiten besitzen. Da der Begriff Manager:in/Management nicht geschützt ist, kann theoretisch wie praktisch jede/r diese Position übernehmen.
Für welche Bereiche gibt es Managements?
Um in der Musikbranche ein paar zu nennen: Künstler:innenmanagement, Tourmanagement, Personalmanagement, Projekt & Produktmanagement. Ein gutes Management hat oft Kenntnisse aus allen Bereichen gebündelt, ob alleine oder durch ein starkes Team. Generell wird ein Künstler:innenmanagement meistens prozentual beteiligt. Ein Tourmanagement berechnet Tagessätze oder für Vorbereitungsphasen ein Fixum. Ein Personalmanagement wird ebenfalls mit einem Fixum bezahlt. Oft läuft es so, dass das Personalmanagement To-dos für eine/n Künstler:in übernimmt, die das Management nicht mit abdecken kann.
Je nach Größe der/des Künstler:in und in anderen Ländern noch mehr verbreitet als in Deutschland sind die Bereiche des Personal Managements oder die des Personal Assistents. Ein/e Personal Manager:in hat eine sehr nahe Bindung zum Artist und ist oft das Bindeglied zwischen Artist und Management.
Wie sieht eigentlich so ein Managementvertrag aus?
Managementverträge werden schriftlich, aber auch häufig mündlich geschlossen. Das richtet sich in den meisten Fällen nach der Firmengröße und der Struktur des Unternehmens. Kommt der/die Künstler:in aus so einer Struktur, dann ergibt es Sinn diese Verträge zu übernehmen, anzupassen oder bestmöglich auszubauen.
Ich selbst habe auch schon die Erfahrung gemacht, dass es nicht nur Vorteile hat, keinen Vertrag abzuschließen, ich arbeite aber dennoch hauptsächlich ohne schriftliche Verträge. Lediglich die Rahmenbedingungen und ein paar grundsätzliche Eckpfeiler, wie prozentuale Beteiligung oder meine Aufgabenbereiche werden in der Regel kurz zusammengefasst. Diese mündlichen Verträge sind für den/die Musikmanager:in relativ üblich. Für mich, und ich denke ich spreche hier für viele aus meiner Branche, ist der Glaube, das Vertrauen und das gemeinsame Ziel die wichtigere Grundvoraussetzung für eine langfristige Zusammenarbeit. Das bedeutet mir mehr als eine Unterschrift auf dem Papier. Auch weil die Verbindung zwischen Management und Artist selten eine normale Arbeitsbeziehung ist. Es ist oft eine freundschaftliche, ja auch private Verbindung. Genau das liebe ich daran! Nächtliche Anrufe ohne das Gefühl, sich an Öffnungszeiten halten zu müssen, gehören einfach dazu. Diese Verbindung sollte auf Fairness beruhen und transparent sein, dann kann man auch ohne Probleme offen sprechen.
Denn auch ich als Managerin möchte mich ohne Rosenkrieg trennen können, denn wenn es nicht mehr passen sollte, werden beide Seiten blockiert. Das ist total unnötig. Außerdem ist es für die Kreativität eines Artists totales Gift, wenn man so eine Last jahrelang mit sich rumschleppen muss. Da würde ich mich auch nicht gut bei fühlen. Ich möchte nicht blockieren, sondern loslassen können. Nichts desto trotz sollte man das, was man sich aufgebaut hat, auch schützen und schätzen lassen.
Ich glaube und ich hoffe, dass die Knebelverträge der 90er Jahre passé sind. Die Deals zwischen Künstler:in und Management liegen heutzutage in den meisten Fällen bei 20% der Bruttoeinnahmen und/oder separat abgestimmten Beteiligungen. Man findet somit alles zwischen 15 und 25 Prozent. Im Normalfall sollte man als Künstler:in die Provision auch gerne bezahlen wollen, da man weiß, dass bestmöglich bei Gagen und Verträgen verhandelt wurde und weil man erkennt, was alles hinter den Kulissen geleistet wird. Denn das ist ganz oft viel mehr als man denkt!
Was macht für dich ein gutes Management aus?
Wo soll ich da anfangen? Also um mal ein paar Begriffe in den Raum zu schmeißen, die ich versuche zu praktizieren und die jedes gute Management/Team meiner Meinung mitbringen sollte: Respekt, der Glaube an die Künstler:innen, Vertrauen, Stärke, Geschick, Flexibilität und Zuverlässigkeit. Er/Sie sollte Empathie besitzen, besonnen, aber auch konfliktbereit sein. Ein gutes Management sollte eine solide Verbindung zwischen Kunst und Business schaffen. Es sollte die Fähigkeit besitzen, richtig einzuschätzen und richtig zu beraten.
Dazu gehört ganz viel Geduld – und damit meine ich nicht nur, zuzuhören, was dein Schützling dir sagt, sondern genau DAS auch zu verstehen. Denn nur wenn du deine/n Künstler:in richtig verstanden hast, kannst du seine/ihre Vorstellungen und Wünsche gut transportieren und weitergeben. Ein gutes Management ist auch motiviert, wenn es nicht so gut läuft. Natürlich gehört auch strategisches Geschick dazu. Oftmals kommen Manager:innen aus der Musikindustrie und kennen die Mechanismen. Sie können somit den Markt gut einschätzen und kennen auch die Zielgruppe. Ein gutes Management sollte auch etwas Verständnis für Urheberrecht und Vertragsrecht übrig haben, auch wenn wir dafür tolle Medienanwälte haben.
Wie arbeitest du?
Ich selbst bin nicht DAS Management VON, sondern mir ist es wichtig, dass ich FÜR & MIT jemandem arbeite. Ich habe in tollen Teams für unglaublich tolle Menschen gearbeitet und mit jeder Persönlichkeit lernt man dazu. Ich berate und erarbeite mir meine Position. Für mich persönlich ist meine Definition von einem Management unterm Strich: Dem Artist geht es gut! Das bedeutet für mich auch, den Lieblingskaffee ans Set zu bringen und sich nicht so sehr überzuordnen. Man schaut zwar immer über alles drüber, entwickelt Strategien, arbeitet hunderte von Mails ab, sitzt 16 Stunden am Schreibtisch, damit alles in time abgearbeitet wird und muss auch taktische Entscheidungen treffen – aber für mich beinhaltet meine Position auch oft Assistenz.
Ich möchte mich nicht in den Vordergrund drängeln. Ich habe mich bewusst für das „dahinter“ entschieden und versuche die Interessen meiner Künstler:innen bestmöglich zu vertreten und dabei trotzdem die Erfolgschancen richtig einzuschätzen. Ganz wichtig ist für mich genau wie für mein Gegenüber: Das Bauchgefühl. Ich suche gerne – und finde. Nur aus dem Glauben heraus, dass man mit einem Artist viel Geld verdienen kann, auch wenn es menschlich nicht passt, würde ich den Job nicht machen. Da geht es mir auch keineswegs ums Genre. Ob Schlager, Rock oder Pop, wenn ich die Energie und die Professionalität der/des Künstler:in spüre, dann habe ich richtig Bock diesen Job so gut es geht zu machen – und zwar von Herzen.
Ehrlich: In ersten Gesprächen mit Künstler:innen rate ich oft von einer zu schnellen Bindung an ein Management ab. Binde Dich nicht zu schnell, binde Dich nicht zu lange. Probiere es aus. Gib beiden Seiten etwas Zeit. Die Musikbranche ist nicht immer ein Haifischbecken, sondern oft ein Freundschaftsbecken, und genau das macht es nicht immer leicht. Es gibt so wundervolle Managements da draußen (gerade die Ladies, die sich doch immer noch etwas mehr erarbeiten mussten) und ich mag unsere Branche wirklich sehr. Ich finde es, so platt es auch klingt, so schön, dass man sich immer zwei, drei oder auch zehn Mal wiedertrifft.
Wir danken Silke Grän für dieses Interview.