Alarmstufe Rot! Das kannst du jetzt als Musiker:in tun, um dich zu vernetzen
Danny Hellrung von "Alarmstufe Rot" im Interview
„Wir müssen uns besser vernetzen!“ Diesen Satz hören wir seit Jahren von Musikschaffenden, Veranstalter:innen usw. Sich austauschen, darum geht es. Es gab und gibt immer viele Einzelkämpfer:innen unter den Musikschaffenden. Angefangen vom/n der kleinen Musiker:in bis zum Bigplayer-Veranstalter. Das ist Verschwendung von Ressourcen und hindert auch viele Kreative am Weiterkommen. Dabei gibt es mittlerweile tolle Netzwerke wie die „Raketerei“, „Music Pool Berlin“ oder das in Pandemiezeiten gegründete, bundesweite Riesen-Netzwerk „Alarmstufe Rot“, die es geschafft haben, Räume zu öffnen, Kontakte herzustellen und Schützenhilfe zu leisten. Wir haben mit Medienmanager und Mitglied Danny Hellrung von „Alarmstufe Rot Hamburg“ über die Chancen, Verbesserung und Missstände in der Musikindustrie gesprochen. Und auch darüber, welche Erkenntnisse aus der Pandemie eine bessere Zusammenarbeit unter den Musikerschaffenden möglich machen könnten.
Danny, was ist deine Aufgabe bei „Alarmstufe Rot“ und was tut ihr gerade, um auf die Missstände im Kulturbereich aufmerksam zu machen?
Corona hat uns schmerzlich aufgezeigt, dass sich die Musikbranche besser connecten muss. Nicht nur untereinander, sondern auch als Industrie gegenüber der Politik. „Alarmstufe Rot“ versucht vom ersten Tag an, Aufklärungsarbeit zu leisten und maximal unbequem zu sein. Vor allem in der Länderpolitik. Früher wussten wir gar nicht was Politik ist – das mussten wir schnell lernen. Es reicht einfach nicht mehr, nur Musik zu machen oder zu veranstalten. Du musst dich auskennen. Deine Hausaufgaben machen. Welcher Topf bezahlt was? Bezahlt dich? Land, Bund oder Kommune? Man schiebt oft Sachen auf den Bund. Dabei können die Länder sofort viel tun. Es ist komplex.
Die Politik hat ehrlich gesagt keine Ahnung von unserem Arbeitszweig. Darum kann jede/r helfen, dazu beizutragen, dass es bald und in Zukunft besser wird. Das geht nur durch Einigkeit, verbesserte Gesetze und finanzielle Hilfen, im Kleinen und im Großen. Jeden Tag arbeiten über 35.000 Mitglieder bei der „Alarmstufe Rot“ daran, dass das Schicksal von uns Musikschaffenden nicht vergessen wird. Dass Hilfen, die gefordert werden, auch ankommen. Wir kämpfen um die Künstler:innen und die Crews. Stichwort: Überbrückungshilfe, Novemberhilfe, Dezemberhilfe. Das ist auch auf unserem Mist gewachsen. Wir haben viel Geld gesammelt. Es ist traurig, was hier historisch gerade passiert. Da sind Leute dabei, quasi Bären körperlich wie beruflich, die in Sitzungen aus heiterem Himmel anfangen zu weinen.
Was ist dein Job und was machst du bei „Alarmstufe Rot“?
„Alarmstufe Rot“ gibt es in allen Bundesländern. Ich für meinen Teil versuche von Hamburg aus Aktionen ins Rollen zu bringen, die für Aufsehen sorgen. Auf kurze Sicht sind drei große Aktionen geplant. Am 20.03. wurde der Fernsehturm in Hamburg inszeniert. Light of the Nights wird alles anstrahlen. Auf 200 Meter Höhe werden wir ein DJ-Set aufbauen, als Symbol. Lichtinzenierung, Equipment, alles umsonst und die Manpower sowieso.
Die zweite Aktion hat am 10.04.2021 stattgefunden. Der Airport von Paderborn wurde angeleuchtet. Auf 11.000 Meter Höhe werden Flugzeuge fliegen, die bei 800 Stunden Kilometer Schnelltests durchführen werden. Natürlich werden auch wieder Künstler:innen auflegen und die getesteten Personen werden den Innenraum des Flugzeuges zur Tanzfläche machen.
Die dritte große Aktion findet irgendwann im Mai 2021 im Hamburger Hafen statt. Es wird wieder eine Lichtdemonstration geben, als Hommage an die Kultur.
Danny, die Musikszene liegt komplett brach. Keine Gigs, keine Festivals etc. – Ist Corona das Schlimmste, was der Musikindustrie passieren konnte?
Es muss vielleicht erst schlimmer werden, bevor es besser werden kann. Das Gefühl, Dinge selbst in die Hand zu nehmen, fühlt sich auch irgendwie gut an. Wir von „Alarmstufe Rot“ haben jetzt schon das zweite Mal in Folge den „Heroes-Award“ bekommen. Auch weil wir Guerilla-Marketing betreiben und kämpfen. Wir sind zum Beispiel baden gegangen in der Spree und haben eine Tonne Sprengkraft dabei hochgejagt. Denn wir sind überzeugt davon, dass die Musikindustrie systemrelevant ist.
Früher gab es diese Missgunst, jetzt haben wir ein Bündnis geschaffen. Alle ziehen an einem Strang. Machen Lärm. Setzen sich konstruktiv an Tische und verhandeln. Außerdem hätte ich gerne meinen Job wieder. Ich war vor der Pandemie mal Medienmanager und würde es sehr gerne wieder werden. Wenn das hier alles vorbei ist. Zu besseren Bedingungen. Bessere Gesetze, die die Musikschaffenden besser absichern, schützen. Die Monopolstellung der großen Veranstalter:innen müssen als Erstes aufgelöst werden. Kleine Unternehmen und GbR’s gehören gefördert und Schützenhilfe gehört geleistet. Wir sitzen doch alle im selben Boot.
Wo siehst du die Chancen, dass etwas besser wird?
Ehrlich gesagt müsste die Politik erst einmal einen Lehrgang machen, was der Wirtschaftszweig „Musikindustrie“ eigentlich bedeutet und was er mit sich bringt. Es braucht Gesetzesänderungen, Finanzspritzen, stärkere Förderung für die Unterhaltungsmusik – und zwar nicht nur für den Klassik-Bereich. Es muss begriffen werden, was Festivals und Konzerte für eine immense Einnahmequelle sind. Alle müssen zusammen arbeiten. Sich gegenseitig unterstützen. Es geht immer um einen Konsens und ums Vernetzen.
Was tut „Alarmstufe Rot“ für Musiker:innen und an wen kann man sich mit Fragen wenden?
Es steht eigentlich alles auf unserer Homepage. Man kann sich dort ganz konkret Infos abholen, Presseanfragen stellen. Man kann Spenden, was auch viele tun. Man kann sich für den Newsletter eintragen, damit man keine geile Aktion mehr verpasst. Man kann als Musiker:in, der/die gerade keinen Plan hat, wie es weitergehen soll, auch gerne mit einem unserer vielen Mitarbeiter:innen in Kontakt treten. Wir verlängern zum Beispiel Fristen für Gelder. Wir kümmern uns auch um Soforthilfen. Wir schauen, was dir zusteht und helfen dir auch dabei Anträge zu stellen. Das war bei der Novemberhilfe, der Dezemberhilfe usw. nicht anders.
Hier findest du en Detail alle Pläne zur Überbrückungshilfe III. Wir als Verein klagen auch für dich. Es lohnt sich wirklich, als Musikschaffender mal durch unsere Seite zu schauen und Mitglied zu werden.
Wie sieht die Zukunft aus? Wird es Impfpflicht bei Konzerten geben?
Wir von „Alarmstufe Rot“ kämpfen dafür, definitiv keine Zweiklassengesellschaft aufzumachen. Wir haben Filteranlagen bestellt, damit unsere Veranstaltungsorte safe sind und wir wieder Konzerte geben können. Der Einlass muss irgendwie über Testung funktionieren. Im besten Fall wird es der negative Test, der vor Ort gemacht werden kann oder mitgebracht wird, der dann 48 Stunden gültig ist. Ich meine, wir planen und realisieren soziale und kulturelle Anlässe ebenso wie wirtschaftsbezogene Events, die über 80% aller Veranstaltungen in Deutschland ausmachen. Wir gewährleisten im Rahmen unserer Aktivitäten eine ökonomische, geistige und kulturelle Vielfalt, die unsere Wirtschaft stärkt und unsere Gesellschaft bereichert. Diese Vielfalt muss gerettet werden. Am Ende muss die Politik zustimmen. Das kann sie aber erst, wenn sie versteht, dass es weiter gehen muss. Wir können nur immer wieder betonen, dass wir alles dafür tun, damit sie grünes Licht geben.
Was rätst du jungen Musiker:innen?
Zuerst einmal, dass sie nicht aufgeben sollen, sondern aktiv werden. Auf den Social-Media-Kanälen Unternehmen wie unseres unterstützen, oder andere Plattformen wie „Crewnation“ supporten, indem sie ihren Content teilen. Und auch ihre Fans und Follower:innen auf ihr Leid und dass der Musikindustrie aufmerksam machen. Auf die Straße gehen, ist ja auch wieder En Vogue. Verbindung schaffen, aufbegehren – nennen wir das Kind beim Namen: Uns wurde das Lebensgefühl der Kultur geklaut. Es wird Zeit, es sich zurückzuholen.
Wir danken Danny Hellrung für das Gespräch.