Über Musikförderungen und wo sie zu finden sind
10 Fragen an Kerstin Mayer, Expertin für Förderungsanträge in der Popmusik
Fördertöpfe für Musiker:innen – es gibt sie wesentlich häufiger, als man manchmal vermuten könnte. Aber wie kommt man ans Geld, welche Kostenpunkte können aus Fördertöpfen übernommen werden und wie berechnet man eigentlich eine realistische Fördersumme? Wir haben eine Expertin gefragt.
Kerstin Mayer hat ihre Jugend in Clubs, hinter Bars und als Veranstalterin verbracht. Das Besondere daran ist, dass sie parallel zu diesem Rock’n‘Roll-Leben eine Ausbildung zur Steuerfachangestellten gemacht, ein Studium in Media Management absolviert und dann noch eine Ausbildung zur Veranstaltungskauffrau hinterhergeschoben hat. Diese Mischung macht Kerstin Mayer nicht nur spannend, sondern auch zu einer Expertin für Projektfinanzierungen für Musiker: innen.
Kerstin Mayer ist umtriebig. Nachdem sie einige Jahre in diversen Medienunternehmen gearbeitet hatte, betreute sie Förderprojekte von Künstler:innen und Musikschaffenden bei der Initiative Musik, bis sie zuletzt die Finanzverwaltung einer Stiftung, die Initiativen gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit unterstützt, organisiert hat. Weil ihr Herz für die Kulturförderung schlägt, berät sie seit 2020 freischaffend Künstler: innen und Musikschaffende bei der Antragstellung und Abwicklung von Förderprojekten.
Hier gibt es noch ein paar mehr Infos zu unserer Gesprächspartnerin. Viel Spaß mit dem Interview!
Das Wort „Kulturförderung“ erzeugt bei manchen Menschen eine Art Fluchtreflex. Wie bist du dazu gekommen und dabei geblieben?
Ich bin sehr umtriebig und habe in viele Bereiche reingeschnuppert. Eine abgeschlossene Ausbildung zur Steuerfachangestellten bedeutet nicht nur, dass man sich gut mit Zahlen auskennt, sondern auch, dass man überall einen Job findet. Ich habe auch als Veranstalterin und Bookerin gearbeitet und ganz ehrlich, würde der Job besser bezahlt, stände ich wahrscheinlich immer noch hinter der Bar. Ich glaube die richtige Synergie habe ich spätestens in den Jahren bei der „Initiative Musik“ gespürt, wo ich unter Umwegen in der Projektbetreuung gelandet bin. Von da an war alles klar. Die Verknüpfung zwischen dem Verständnis für Zahlen, also dem wirtschaftlichen Aspekt, gepaart mit den Erfahrungen im Live-Bereich und meinem Interesse für alles, was mit Musik zu tun hat, haben es mir leicht gemacht, mich in die Thematik einzuarbeiten und Musiker:innen in einem Bereich zu unterstützen, der so wichtig ist, aber eben auch sehr komplex.
Erklär uns Anfänger:innen bitte, warum Förderungen deiner Meinung nach so wichtig und spannend sind!
Ich finde, Förderungen empowern total! Denn du bist als Künstler:in durch die Fördergelder nicht darauf angewiesen, den erstbesten Deal anzunehmen. Für einige der Künstler:innen mit denen ich zusammengearbeitet habe, war die Antragstellung an sich schon ein Gewinn, denn sie haben schon allein durch die Erfahrung gelernt, ihre Ziele zu formulieren und sich einen Jahresplan aufzustellen.
Um eine Art der Formatierung des Mindsets von Künstler:innen geht es ebenfalls bei diesen Anträgen und genau das kitzeln Förderanträge aufgrund ihrer Komplexität zwangsläufig heraus. Plötzlich wird Musik machen auch irgendwie politisch. Es sind ja öffentliche Gelder, die aus Musik- oder eben Kulturförderung bezogen werden, egal ob vom Bund, von Ländern oder den Kommunen. Diese Förderprogramme sind dafür da, eine diverse Kulturlandschaft zu ermöglichen und eben nicht im Mainstream zu denken. Es geht um Botschaften und nicht in erster Linie um Zahlen. Förderungen sind so wichtig, weil unsere Musiklandschaft ohne sie sehr eintönig und noch weniger divers wäre. Diese Botschaft ist auch sehr wichtig für Künstler: innen.
Wie grade erwähnt, hast du einige Jahre bei der Initiative Musik Künstler: innen beraten und dabei natürlich viel gesehen. Auch der Antrag von mir und meiner Band ging über deinen Tisch. Welche klassischen Fallstricke können vermieden werden, damit Musiker:innen den perfekten Antrag stellen können?
Ich kann nur jedem/r Musiker:in raten: „Schau auf die Projektlaufzeit!“ Denn die Sachen, die schon laufen, also im Prozess sind, bevor eine Förderung bewilligt wird, können nicht mehr gefördert werden. Das ist etwas, das ich relativ häufig erlebe: Dass Musiker:innen kommen und sagen: „Wir haben jetzt schon ein paar Songs aufgenommen und dann ist uns mittendrin das Geld ausgegangen, um die EP fertig zu stellen. Das wollen wir jetzt noch zuende bringen“. Dann muss ich ihnen leider sagen, dass es für eine Förderung zu spät ist und sie nur Geld für ein neues Projekt, das noch nicht begonnen hat, beantragen können. So was ist immer ärgerlich.
Welche Kostenpunkte und Budgetaufteilungen sollten in jedem Fall in Förderanträgen berücksichtigt werden, vor allem im Hinblick auf Promo, Werbung und Ähnlichem?
Da empfehle ich immer bei befreundeten Künstler:innen nachzufragen, wie die das gemacht haben. Sich bei Promoter:innen Angebote einzuholen, ist auch immer ein guter Move. Natürlich unverbindlich. Das Wichtigste dabei ist: Stell dir die richtigen Fragen für die Aufteilung deiner Förderung. Frag dich:
- Was will ich mit meinem Projekt erreichen?
- Wo sitzt meine Zielgruppe?
- Mache ich das Ganze deutschlandweit, europaweit oder gar weltweit?
- Wie erreiche ich meine Zielgruppe am besten?
- Will ich eine bestehende Fanbase erreichen? Oder eine Neue?
- Was ist der Zweck meines Antrags?
Die Beantwortung dieser Fragen hilft auch ungemein beim Entwurf einer überzeugenden Projektbeschreibung, damit der rote Faden im Antrag erkennbar wird. Denn Fördereinrichtungen wollen nachhaltig fördern. Sie wollen sehen, dass ihre Gelder die Künstler:innen bei einem wichtigen Schritt auf ihrer künstlerischen Karriereleiter unterstützen.
Welche Kosten sind in der Regel nicht förderfähig?
Grundsätzlich gilt erstmal: Förderfähig sind nur die Kosten, die notwendig für das Projekt sind und innerhalb des Förderzeitraums liegen. Was gefördert wird und was nicht, steht meist in den jeweiligen Förderrichtlinien. Was wichtig ist: Fördergeld finanziert keinen Luxus! Zum Beispiel wenn ein/e Künstler:in Reisekosten absetzen will, muss sie/er sich dabei an die Höchstsätze halten, die im Bundesreisekostengesetz stehen.
90 % aller Förderungen sind Projektförderungen. Darum gilt auch alles, was dauerhaft läuft, wie zum Beispiel die Proberaummiete oder die Anschaffung sowie Instandhaltung von Instrumenten, als nicht förderfähig. Weil sie unabhängig vom Projekt, bei dem die Laufzeit selten ein Jahr überschreitet, genutzt und gebraucht werden. Das kriegt man dann schwer verargumentiert. Den Fördergebenden ist auch folgende Analogie wichtig: Schafft es das Projekt, auch ohne Förderung gestemmt zu werden?
Wie arbeitest du die Anträge mit den Künstler: innen aus?
Indem ich sie die Anträge stellen und schreiben lasse. Mein Job ist die intensive Betreuung und Aufklärung rund um die Förderanträge. Darum nehme ich „meinen“ Künstler:innen nicht von Anfang an das Schreiben ab oder denke mir was für sie aus, sondern briefe sie und gehe gemeinsam mit ihnen ihren Entwurf durch. Das Geschriebene wird dann von mir auf Plausibilität geprüft und poliert, sodass alle Unklarheiten im Vorfeld beseitigt werden können.
Ich finde es immens wichtig, dass die Künstler:innen selbst formulieren, was sie vorhaben. Das ist notwendig für den ganzen Prozess. Denn ich bin nicht diejenige, die das Projekt durchführt und die entsprechenden Bilder im Kopf hat. Außerdem soll der Antrag ja auch den Charakter des/der Antragsteller:in widerspiegeln. Jede:r Antragsteller:in hat ja einen eigenen Stil. Meine Intention ist dabei klar: Hilfe zur Selbsthilfe! Die Musiker:innen müssen verstehen, worum es da geht. Worum es ihnen geht! Meine Künstler:innen sollen bestens vorbereitet in die mögliche Förderung starten.
Wie rechnet man sich vorab als Musiker:in ein realistisches Werbebudget aus?
Viele Musiker:innen erweitern ihr Portfolio an Aufgaben. Vor allem die Unternehmer:innenrolle und der Marketingaspekt werden immer häufiger selbst ausgeführt und übernommen. Das liegt vor allem an den Sozialen Medien. Mittlerweile gibt es die Möglichkeiten, einen Sponsored Post o.ä. zu erstellen. Es ist einfach möglich geworden, mit einem geringeren Budget einiges zu erreichen. Der Erfolg hängt dabei von verschiedenen Faktoren ab. Zum Beispiel: Wie affin ist man gegenüber dem zu generierenden Content? Und wie groß ist das Entertainer:innen-Gen?
Falls man als Künstler:in schon ein Label hat, würde ich mit denen das Gespräch suchen. Die erstellen Werbebudgets am laufenden Band. Oder Bekannte fragen, die das schon mal gemacht haben. Auf der Kommunikations- und Marketingebene finde ich auch Crowdfundingkampagnen sehr spannend. Auch wenn dieser Weg sehr, sehr arbeitsintensiv ist für den/die Künstler:in. Gerade bei Abo-Modellen wie bspw. Patreon, bedeutet das zwangsläufig, dass noch mehr Zeit für die Contentproduktion und Kommunikation drauf geht und weniger Zeit für das Musik machen bleibt. Aber wenn man es schlau anstellt, ist Crowdfunding eine super Sache.
So ein Crowdfunding kann auch unabhängig von deinem Förderantrag entstehen, macht aber auch zusätzlich Sinn, weil Projekte selten zu 100% gefördert werden. Von Fördernden wird diese zusätzliche „Eigeninitiative“ auch gerne gesehen, also wenn die Eigenmittel der Künstler:innen durch Crowdfunding und co. gestellt werden. Das ist ein wichtiges Signal für die Förder:innen, das Interesse an der Kunst bzw. der/dem Künstler:in besteht, also ein potenzieller Absatzmarkt vorhanden ist. Ich bin mega Fan davon. Und die Finanzierung aus der Crowd ist viel einfacher, weil der bürokratische Aufwand nicht so hoch ist wie bei öffentlichen Geldern. Da muss man sich nicht an so viele Vorgaben halten, wie, wann, wo man das Geld ausgeben darf und am Ende reicht eine Vorstellung des Projektergebnisses. Die Ausgabe von öffentlichen Geldern muss man dagegen anhand eines sogenannten Verwendungsnachweises belegen, der sehr komplex sein kann.
Du berätst Musiker: innen, gibst Fördertipps auf deinen eigenen Kanälen und hältst Workshops auf Plattformen wie „Music Pool Berlin“. Wie sah dein Pandemiejahr aus?
Man kann schon sagen, dass es einen regelrechten Run auf Förderungen gab und gibt. Für viele ist es momentan essenziell, Förderungen zu bekommen, um weiter arbeiten zu können und für manche Künstler:innen sogar die einzige Aussicht auf finanzielle Unterstützung. Aus diesem Grund habe ich während der Pandemiezeit zum Teil niedrigere Preise angesetzt oder bin Künstler:innen entgegengekommen, bei denen es finanziell nicht so rosig aussah. Ich mache das hier ja in erster Linie, um Menschen zu helfen. Daneben ist mir die politische Komponente meines Jobs sehr wichtig und ich versuche auch immer Angehörige marginalisierter Gruppen zu unterstützen.
Aktuell gebe ich nur Online-Beratungen. Das ermöglicht mir ortsunabhängiges Arbeiten und das würde ich auch gern nach der Pandemie so beibehalten. Musiker:innen, die in Berlin leben, haben zwar den Vorteil, mich über den Music Pool buchen zu können und dadurch Geld zu sparen – mir liegt allerdings sehr viel daran, dass Menschen in ganz Deutschland Zugang zu meinem Angebot bekommen. Vor allem die, die eher im ländlichen Raum leben, werden oft vernachlässigt, was den Informationsfluss angeht. Unabhängig von der Pandemie versuche ich aber wie gesagt, marginalisierte Gruppen zu unterstützen. Das ist mir eine echte Herzensangelegenheit.
Findest du es generell wichtig, als Musiker: in Workshops zu besuchen?
Auf jeden Fall! Sich in relevanten Themen auszukennen ist immer super hilfreich. Ich finde, man muss nicht alles können oder wissen – das würde vermutlich auch die eigene Kreativität einschränken, aber man sollte zumindest eine Ahnung davon haben, womit man es zu tun hat. Gerade in beruflichen Kontexten. Das betrifft ja jeden Bereich des Lebens. Warum sollte es hier anders sein? Vor allem für Nachwuchsbands finde ich es wichtig, sich mit den Bereichen Marketing, Finanzierung und Vertragsrecht auseinanderzusetzen. Wenn man sich damit auskennt, bewahrt man sich vor bösem Erwachen und vermeidet Streitigkeiten mit dem Label oder anderen Kooperationspartner:innen.
Wenn du die Königin der Antragsteller:innen wärst, welche Verbesserungen würdest du in der Förderlandschaft durchsetzen wollen?
Wenn wir uns im Bereich der Popmusik-Förderung bewegen, dann wäre es großartig, wenn jedes Bundesland eine eigene Förderinstitution hätte. Damit nicht alle Künstler:innen immer nur über die Bundesförderungen gehen müssten und gerade Menschen, die im ländlichen Raum leben, auch mit einbezogen werden. Darum brauchen wir niedrigschwelligere finanzielle Förderangebote auf Landesebene. Auf Landesebene gibt es zwar Unterstützungsangebote – die sind jedoch meist gekoppelt an Sachwerte wie Fortbildungen, Infrastruktur-Verbesserungen oder Erweiterung des Netzwerkes für die Musiker:innen.
Ich halte Fördermaßnahmen auf Ebenen unterhalb des Bundes mit einem geringeren Eigen- und einem höheren Förderanteil für essenziell, damit die Musiker: innen einen ordentlichen Start hinlegen können. Wenn sie den genutzt haben und sich auch im Rahmen ihrer gewachsenen Professionalität auf Bundesebene fördern lassen wollen, sind die 60% Eigenanteil, die zum Beispiel bis vor der Pandemie bei der Initiative Musik aufgebracht werden mussten hoffentlich nicht mehr so eine große Hürde. Klar, 40 % Förderung hört sich erstmal wenig an, aber das Programm der Initiative Musik bewegt trotzdem eine ganze Menge und ist eben wirtschaftlich orientiert. Das Geld, das dort vergeben wird, soll nicht dazu dienen, dass ein Projekt überhaupt stattfinden kann, sondern professionell arbeitenden Künstler:innen ermöglichen, ihren Projekten einen besonderen Schliff zu verleihen. Um einen bestimmten Grad an Professionalität zu garantieren, sind dort für die Antragstellung auch zwei Parteien notwendig: Auf der einen Seite der/die Künstler:in oder Band und auf der anderen Seite ein Unternehmen, zum Beispiel das Label oder Management. „Der Musikfonds“, der sich auf experimentelle und Avantgarde-Musik spezialisiert hat, fördert zum Beispiel Projekte, die nicht kommerziell orientiert sind. Wenn man die Philosophie der verschiedenen Förderinstitutionen und deren Förderlogik versteht, kann man auch besser einschätzen, ob ein Antrag Sinn ergibt oder doch nicht.
Wie dem auch sei: Es fehlen die Zwischenschritte. Es kann nicht sein, dass Popmusik-Förderung für alle Künstler:innen erst auf Bundesebene beginnt. Es ist außerdem an der Zeit, dass Popularmusik nicht mehr nur als Unterhaltungsmusik angesehen wird. Dass diese Ansicht veraltet ist, zeigt die aktuelle Popkulturlandschaft meiner Meinung nach ziemlich deutlich. Ich wünsche mir unterm Strich mehr Anerkennung und finanzielle Unterstützung auf allen Ebenen für Künstler:innen.